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.Für die anderen, die dabei sind, bieten Passagerituale eine gute Gelegenheit, ihre Werte gemeinschaftlich zu bekräftigen.Beides fördert die Solidarität und dient dem Zusammenleben.Übergangsriten sind soziale Dramen.Sie inszenieren zentrale Werte einer Gesellschaft und sind für den Einzelnen aufregend und eindrücklich.Schmerzen und Mutproben gehören dazu.Der Rücken wird tätowiert, die Zunge durchbohrt, die Zähne gefeilt, der Penis beschnitten.Und der Jugendliche weiß oft nicht, was als Nächstes kommt.Die Unsicherheit wird von denen, die schon eingeweiht sind, wissentlich geschürt.Furcht ist fester Bestandteil solcher Riten.Die Hauptperson soll eine neue Identität übernehmen und dafür die alte ablegen.Romo kann ein Lied davon singen.Deshalb sind in allen Kulturen Menschen aus der Verwandtschaft oder gute Bekannte dabei.Vertraute Menschen als Begleiter erleichtern dem Initianden seinen schweren Gang.Gleichzeitig machen die Begleiter den Übergang öffentlich.Übergangsriten an der UniversitätAuch das akademische Passageritual, das ich durchlebt habe, dauert in der Regel mehrere Jahre und bringt gleich eine ganze Kaskade von Verunsicherungen mit sich.Die Habilitation ist ein Einweihungsritus, der mich in den Stand erhebt, an einer Universität zu unterrichten.Und sie ist ein sehr deutsches Ritual.Es gibt sie auch in Österreich, der Schweiz, in Polen, der Slowakei, in Ungarn, der Ukraine und in Russland, aber sonst nicht in Europa.In den außereuropäischen Ländern hat das Verfahren nie Fuß gefasst, auch nicht in den USA.In abgemilderter Form finden sich diese Prozeduren jedoch an allen Hochschulen dieser Welt anlässlich der Doktorprüfungen.Heutzutage schreibt eine ordentlich gedruckte und juristisch abgesicherte Habilitationsordnung vor, welche Schritte in welcher Reihenfolge zu erledigen sind.Aber nicht nur die schriftlosen Aranda vor 100 Jahren, sondern auch wir leben in einer Kultur, in der vieles mündlich ist.Wichtig ist die Kommission, die mein Habilitationsverfahren durchführt.Die Wahl der Mitglieder kann das Endergebnis vorherbestimmen.Das sind in diesem Falle sieben Herren, die ich nicht kenne.Sie kommen fast alle aus anderen Disziplinen, und man weiß nie, ob sie dem Fach des »Habilitanden«, in diesem Fall der Ethnologie, gewogen sind.Da spielt das Image des Fachs in der jeweiligen Universität und die Reputation der hiesigen Kollegen immer mit herein.Alles schwer greifbar, aber von großer Tragweite.Ein bedeutender Schritt im Drehbuch der Habilitation ist der interne Vortrag, von dessen glücklichem Ausgang ich bereits berichtet habe.Anwesend sind nur die bereits »Eingeweihten«, nämlich die Mitglieder der Philosophischen Fakultät, allerdings möglichst vollzählig.Einige Wochen zuvor wurde ich »gebeten«, drei Themen für den Vortrag vorzuschlagen.Eine Woche vor dem Termin wird mir dann mitgeteilt, für welches Thema sich die ehrwürdige Kommission entschieden hat.Eine klassische Prüfungssituation.Die Themen dürfen sich nicht mit dem Thema meiner Habilitationsforschung decken.Mehr wird offiziell nicht gesagt.Man braucht kein Ethnologe zu sein, um zu wissen, dass es hier wohl ungeschriebene Gesetze gibt.Aber was besagen sie?Ich frage meine Betreuer, was zu beachten ist.Ihr Rat: Ich soll meine Fachkompetenz als Ethnologe klarmachen, das Thema soll aber auch nicht zu ethnologisch sein.Vor allem wird mir stark abgeraten, irgendetwas Programmatisches anzubieten.»Häng dich bloß nicht zu weit aus dem Fenster«, »Theorie ist tödlich« sind die Ratschläge.Aber ich soll auch nichts empirisch Banales anbieten.Leicht irritiert höre ich mich bei Kollegen anderer Fächer um.Einige haben das Verfahren bereits hinter sich, mancher ist auch erst einmal gescheitert.So mangelt es nicht an guten Tipps, vor allem im Hinblick auf bestimmte Mitglieder des Gremiums: »Mach ja nichts Politisches«, »Die Philosophen können hart sein«, »Vermeide das Thema Kunst«.Es gibt auch Tipps zum Vortragen: »Lesen Sie bloß vom Blatt ab.Beim freien Reden laufen Sie Gefahr, über die halbe Stunde zu kommen.« Eine der wichtigsten Regeln ist nämlich verblüffenderweise, die vorgegebene Zeit auch nicht um eine Minute zu überschreiten.Das hat auch praktische Gründe, denn die Fakultät muss noch jede Menge weitere Tagesordnungspunkte abarbeiten.Beim Nachbohren erfahre ich weitere ungeschriebene Regeln.Üblicherweise wird nur das erste oder zweite Thema gewählt.Das dritte Thema wird vom Prüfling oft nur angegeben, aber nicht wirklich vorbereitet
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