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.Hier einigten sie sich auf das weitere Programm.Dr.Kisch werde sich erst in der zweiten Juni-Hälfte nach Almáskő begeben können, vorher sei es ihm nicht möglich, Urlaub zu nehmen.Nein, er werde nicht mit der Kutsche fahren, sondern zu Fuß über die Berge kommen, zufällig dort auftauchen.Er sei ohnehin ein leidenschaftlicher Berggänger, das Gebirge hier in der Umgebung habe er auch schon durchwandert.»Es wird mir eine Erholung sein«80, sagte er, und das klang so, als würde man mit seinem Besuch ihm selber einen Dienst erweisen.»Psychopathische Probleme haben mich immer sehr interessiert.«81 Dies war die einzige Anspielung auf seine Vergangenheit, auf seine Laufbahn, auf die er hatte verzichten, auf alles, das er bei seiner Heimkehr hatte opfern müssen.Erst da schlossen sich hart seine Lippen.Doch dies dauerte nur einen Augenblick, und er setzte seine freundlichen Reden gleich fort: »Ich komme, sobald ich kann.Ich gebe Ihnen Bescheid …«82Er begleitete sie zum Wagen.Dort richtete er noch einige ermunternde Worte an die beiden und kehrte dann mit seinen ruhigen Schritten zurück in das kleine Krankenhaus, seine einzige, lebenslängliche Wirkungsstätte anstelle des weltberühmten Lehrstuhls.Die germanische »Mannestreue«83 gehört nicht den mittelalterlichen Rittern allein; in der grauen Unauffälligkeit des bürgerlichen Lebens kann sie zum Preis der Selbstaufopferung ebenso heldenhaft sein.Die Falben trabten gutgelaunt.Das Riemenpferd schüttelte manchmal den Kopf, als wolle es die anderen ermuntern, während das Handpferd bei den steilen Strecken aufwärts die Stirn immer wieder hochwarf, vielleicht um durch die gedehnten Nüstern noch mehr Luft zu holen.Die Stangenpferde legten sich in solchen Momenten pflichtbewusst ins Zeug.In gleichem Tempo ging es bergan und bergab.Die Pferde gerieten nicht einmal in Schweiß.Ihr Fell glänzte wie Seide, die Sonnenstrahlen glitten darüber hinweg.Adrienne vermochte diesmal die Frühlingslandschaft zu genießen.Die Fahrt ging nun schon durch die bekannten Hügel der Siebenbürger Heide; es war ihr Geburtsland.Auf den Anhöhen breitete sich vor dem Blick stets von neuem ein gewaltiges Panorama aus.Gegen Süden und Westen zeigten sich vielfache Reihen von Bergkämmen, einer hinter dem anderen, zeltartige Gipfel oder jäh gekrümmte Kuppen erhoben sich hier und dort, und die Sonne vergoldete alle Kanten, während Schatten jede Senke violett färbten.Beschrieb die Landstraße eine Kurve, von welcher sich der Blick zurück nach Norden wandte, dann gewahrte man die Kelemen-Schneeberge und den Negoj, der in seinem bunt zerrissenen Schnee- und Eismantel glänzte.Die Luft war frisch und belebend, als tränke man Champagner.Schäfchenwolken, vergesslich, zerstreut, verpassten am hellblauen Himmel den Anschluss, sie blieben hintereinander zurück.Kleine Seen lagen oft im Talboden.Von der Höhe hatte man Sicht auf das offene Wasser hinter der dunklen Wand der Schilfgürtel.Wildenten schwammen paarweise an der Oberfläche, winzige Teichhühner tauchten unter.Der Liebeschor von Fröschen erklang aus dem Schilf.Bei einer Kurve musste man anhalten, um entgegenkommende Lastfuhrwerke passieren zu lassen.Eine Nachtigall schlug im Gebüsch nebenan.Jede Sorge, jede böse Ahnung war von Adrienne abgefallen.Die paar ermunternden Worte, die der sächsische Arzt beim Abschied gesagt hatte, klangen in ihr innerlich weiter: »Seien Sie guten Mutes, gnädige Frau.Seien Sie guten Mutes.«84 Vielleicht waren es banale Worte, aber sie empfand sie anders: als ein Versprechen, ein Gelübde, eine Hoffnung.Sie kennzeichneten die erste Station auf dem Weg zu ihrer Befreiung.Sechster TeilI.Nachmittags um halb zwei.Immer mehr Zeitungsverkäufer ergossen sich aus einer Nebengasse in die Rákóczi-Allee.Jeder trug ein Bündel von Blättern bei sich – frei unter dem Arm, in einem Leinensack oder in einem Korb.Vielerlei Leute.Einen einbeinigen Mann fand man unter ihnen ebenso wie eine ältere, kleine Frau, ja sogar einen Blinden, den ein Kind führte, die meisten aber waren Halbwüchsige: schnellfüßige Jungen, die sich im Laufschritt in die Stadt stürzten, einander beim Rennen überholten, als ginge es um einen Wettlauf, denn am besten schnitten jene ab, die auf dem Karls- und dem Museumsring oder in der Innenstadt das Blatt als Erste ausrufen konnten.Todesmutig überquerten sie im Galopp die Straßen vor den fahrenden Autos und ratternden Straßenbahnen, schlugen Haken auf dem Trottoir zwischen den Fußgängern, um dann wieder auf der Fahrbahn den Weg von Radlern zu kreuzen und vor der Nase von Lastpferden oder den Kotflügeln hupender Automobile durchzuschlüpfen.Und wie immer sie auch rannten, selbst nicht unter tausend Gefahren und nirgends hörten sie auf, den Titel ihrer Zeitung und die darin enthaltenen Nachrichten in die Welt hinauszuschreien, die Sensationen, welche die Käufer in Aufregung versetzten.»László Lukács – homo regius85! László Lukács …!«Vielleicht hatten die Zeitungsjungen noch nie einen besseren Tag erlebt.Um jeden von ihnen bildeten sich Menschengruppen, sie rissen ihnen die Zeitungen aus der Hand.Dabei war das Geschäft seit April, als die Regierung Wekerle zum ersten Mal abgedankt hatte, bereits vorzüglich gegangen.Die vielen königlichen Audienzen kamen hinzu, es ging um die Bankenfrage, das Bankkartell, um österreichische Intrigen und die Vertagung des Parlaments, um den rebellischen Beschluss der Unabhängigkeitspartei – ach, welch ausgezeichneten Nachrichtenstoff dies alles doch bildete! –, und erst noch die spannenden Entwicklungen der türkischen Revolution: Militärputsch in Istanbul – ein Minister kam ums Leben, zwei wurden verwundet! –, Truppen aus dem asiatischen Teil marschierten ein, es kam zu Straßenkämpfen, das Armeekorps in Saloniki wurde in Alarmbereitschaft versetzt, während aus Pera über die Abschlachtung von Armeniern wunderbare Einzelheiten bekannt wurden, so über aufgespießte Kinder und geschändete Frauen.Jeder Tag hatte seine neue Sensation! An einem Tag hieß es, die Armee aus Saloniki habe die Hauptstadt umzingelt, am nächsten erfuhr man, dass sie eingerückt sei und der Yildiz-Palast belagert werde.»Sultan Abdul Hamid wurde gefangen genommen!« – »Er wurde umgebracht!« – »Nicht umgebracht!« – »Er ist geflohen!« – »Nein, nicht geflohen!« – »Man hat ihn erwischt und ins Gefängnis geworfen!« – »Aber es gibt einen neuen Sultan, Mehmed V., der aus der Gefangenschaft befreit und auf den Thron gesetzt wurde, und es gibt einen Diktator, den Kommandanten des Armeekorps von Saloniki, Bassa Mehmed Sefket.«Im Mai waren andere feine Themen dazugekommen: Ein echter japanischer Prinz besuchte Budapest, ach, wie interessant! Dann die Geschichte des österreichischen Ministerpräsidenten Bienerth, der im Wiener Parlament Burian, den gemeinsamen Finanzminister, öffentlich angriff.Das waren lauter publikumswirksame, farbige Nachrichten, neben denen der in Sankt Petersburg abgehaltene Panslawistische Kongress ganz bedeutungslos erschien – eine Veranstaltung, an der tschechische, kroatische, slowakische und serbische Delegierte teilnahmen und vom Zaren im Namen des großen russischen Bruders ermunternd begrüßt wurden.Auch der Monat Juni hatte gut begonnen.Es kam in Wien wegen der Regierungskrise zu neuen Audienzen [ Pobierz całość w formacie PDF ]