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.Da bin ich ausgerastet.Die Situation hatte ohnehin schon zu lange gedauert.Ich musste hier weg.Und eine Arbeit finden.Ein Ägypter, den ich in dem tunesischen Lebensmittelladen des Viertels kennengelernt hatte, stellte mich Manar vor, einer Marokkanerin, die in einer von einem Kabylen betriebenen Restaurant-Bar in einer kleinen Straße in Montreuil arbeitete.Man zeigte mir, wie man Kaffee zubereitete und Bier vom Hahn zapfte.Ich verdiente 50 Euro am Tag, plus Trinkgeld, das bis zu 100 Euro ausmachen konnte! Das war okay.Umso mehr, als man mir anbot, mir das über der Bar liegende Zimmer mit der Marokkanerin zu teilen.Ich habe eineinhalb Monate dort gearbeitet, als ich mitkriegte, dass der Laden ziemlich dubios war – der Chef zog manchmal die Vorhänge zu, und Frauen traten auf, die nackt tanzten – und vor allem, dass meine Mitbewohnerin mich bestahl, was mich wahnsinnig machte.Ich bin weg mit dem, was ich auf dem Leib hatte.Warda, mit der ich in Verbindung geblieben war, reichte mich weiter an eine Tunesierin, die in einer Bar an der Porte des Lilas arbeitete.Ich begann in der Küche mit Geschirrspülen, dann lernte ich auch zu servieren und Bestellungen entgegenzunehmen.Der kabylische Geschäftsführer bemerkte, dass manche Gäste meinetwegen kamen, und wies mich an, vorn im Restaurant zu bleiben.Worüber die Tunesierin sauer war.Er benutzte mich als Köder, sie hielt mich für ihr Mädchen für alles.Als ich außerdem eines Abends entdeckte, dass ich auch von meiner neuen marokkanischen Zimmer-Mitbewohnerin wieder bestohlen wurde, nahm ich meinen Koffer und schlug die Tür hinter mir zu.Von neuem stand ich auf der Straße und wusste nicht mehr, wen ich noch anrufen sollte.Mir kam der Ägypter in den Sinn.Er empfing mich in einer großen Wohnung, die er sich mit mehreren Leuten teilte.Er verlangte nichts von mir, aber ich fühlte mich nicht wohl.Ich war eine Bürde.Wo lag überhaupt noch eine Zukunft für mich? Worauf konnte ich in Paris hoffen? Ich hatte kein Französisch gelernt.Meine Papiere waren nicht in Ordnung, ich konnte jeden Augenblick verhaftet werden.Ich hatte mir nichts aufgebaut.Da rief Hicham an.Seinen Namen auf meinem Display zu lesen war wie ein kleiner Hoffnungsschimmer.Er dachte an mich genau in dem Moment, als ich im Begriff war, unterzugehen.»Wann kommst du?«, fragte ich.»Ich brauche dich so sehr!«»Niemals, hörst du? Niemals! Du warst ja nicht mal in der Lage, mir treu zu bleiben!«Niedergeschmettert rief ich meine Mutter an: »Es ist alles deine Schuld! Mein Leben ist eine Katastrophe.Ich bin hoffnungslos verloren, Mama.Verloren! Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll, wem ich vertrauen kann, wohin ich gehen soll.Ich bin am Ende.Und alles deinetwegen.«»Wieso meinetwegen?«»Ich wäre nicht weggegangen, wenn du Hicham akzeptiert hättest!«»Sag so was Dummes nicht, Soraya! Komm nach Hause.Frankreich ist nicht das Richtige für dich.Komm zu uns zurück.«Der Gedanke, nach Libyen zurückzukehren, hatte mich noch nicht einmal gestreift.Zurückgehen? Aber ich war doch keine Touristin! Nicht mal eine freiwillig ins Exil Gegangene! Ich war auf der Flucht und wurde von einem der mächtigsten Männer der Welt gesucht! Ich mochte meine Erbitterung noch so sehr über meine Mutter ausschütten, der wahre Grund meiner Flucht war Gaddafi.»Zurückzukehren wäre mehr als riskant, Mama! Sie werden mich wieder holen kommen.Sie werden mich niemals in Ruhe lassen.«»Wir werden es schon schaffen, dich zu verstecken.Dein Vater hat Ärger bekommen, darum wirst du bei mir in Sirte leben.In der ersten Zeit haben sie dich überall gesucht, aber nun, glaube ich, haben sie sich beruhigt.Ich will nicht, dass du unglücklich bist in Paris.«So fiel meine Entscheidung.Innerhalb von Sekunden.Im Affekt und in einem Augenblick großer Verzweiflung.Ich kam in Frankreich nicht zurecht, das Land faszinierte mich, aber es entsprach mir nicht.Ich kannte keinen einzigen Franzosen! Ich ging zu Warda, die meinen Entschluss begrüßte.Aber sie warnte mich: Da mein Visum abgelaufen war, würde ich bei der Ausreise eine erhebliche Ordnungsstrafe zahlen müssen.Um mir das Verfahren zu erleichtern, rief sie selbst einen Bekannten an, der in Roissy-Charles-de-Gaulle als Polizist arbeitete.Er sollte drei Tage später am Flughafen die 1500 Euro in die Tasche stecken, die ich bereithielt, um ein Wiedereinreiseverbot in französisches Territorium zu umgehen.Zumindest habe ich es so verstanden.Ein Glück, dass Mama mir tags zuvor 2000 Euro geschickt hatte.Am 26.Mai 2010 bin ich nach Libyen zurückgeflogen, mit einem superleichten Koffer.Wenige Kleidungsstücke, kein Buch, nicht mal ein Foto – nichts ist mir von diesem fünfzehnmonatigen Aufenthalt in der Lichterstadt geblieben.Nicht mal das kleine Porträt, das ein Straßenkünstler an einem Frühlingstag unter dem Eiffelturm von mir gezeichnet hatte – Adel wollte es zur Erinnerung behalten.10Im RäderwerkNiemand erwartete mich am Flughafen in Tripolis.Ich hatte mich sehr gehütet, irgendjemanden zu verständigen.Kein bekanntes Gesicht in der großen Empfangshalle.Kein argwöhnischer Blick – weder von Soldaten noch von Polizisten.Ich kam inkognito zurück.Vielleicht hatte Bab al-Aziziya die Überwachung gelockert.Ich rief Hicham an.Er war verblüfft.»Du bist hier? In Libyen?.Bleib, wo du bist, ich komme!« Mit zwei Freunden kam er in einem Geländewagen angerast.Lächelnd stieg er aus, nahm meinen kleinen Koffer.Eine stürmische Begrüßung und Umarmung in der Öffentlichkeit kamen nicht in Frage.Aber ich brauchte ihn nur anzusehen und fasste wieder Vertrauen.Er war ein bisschen dicker geworden, erschien mir auch etwas älter als in meiner Erinnerung, doch das machte ihn in meinen Augen nur umso verlässlicher.Wir fuhren zum selben Bungalow, den uns einer seiner Freunde schon einmal zur Verfügung gestellt hatte, und sprachen uns aus.Er sagte mir in harten Worten, wie enttäuscht er gewesen war, dass ich in Paris mit einem Mann hatte leben können.»Er war nur ein Freund!«, beharrte ich.»Zwischen einem Mann und einer Frau ist Freundschaft nicht möglich!«Was hatte ich anderes erwartet! Typisch libysch! Dann erzählte er mir, dass Leute aus Bab al-Aziziya ihn bei seinen Eltern gesucht hatten.Dass sie seinen Bruder verhaftet hatten, während er selbst nach Tunesien gegangen war.Dass er allen möglichen Repressalien ausgesetzt worden sei: Morddrohungen, Abhören seines Telefons, Beschattung.Man hatte ihn auf seiner Arbeitsstelle denunziert, und unsere Geschichte, die ausgiebig verbreitet worden war, hatte ihm den Ruf des »Geliebten einer Gaddafi-Hure« eingebracht
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