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.Dann hätte es ja lange vor den Wetzels die Frau Bauerin erfahren und sie zur Rede gestellt.Zum Mindesten zur Rede gestellt.Die Frau Bauerin darf ja so etwas gar nicht dulden bei ihren Mägden.Und ihre Schwestern, die hätten es auch schon gehört und würden ihr bei einem solchen Gerücht die Hölle auf Erden bereiten.Sie hat die Wetzelin missverstanden.Bloß weil sie wegen des Holländers noch immer ein schlechtes Gewissen hat.Die Wetzelin weiß gar nichts.Außer, dass sie das übliche Gejammer von der Ursel kennt, ihre kleine Schwester wär so unstet und unbeherrscht.Die hat sie doch nur aufs Geratewohl piesacken wollen, weil sie und ihr Mann seit Jahren wegen der Mainzer Schuhe einen Groll auf sie haben und vielleicht inzwischen wegen ihrer eigenen schlechten Gesundheit sowieso auf die ganze Welt.Eigentlich hatte die Susann ihre Freiheit für einen schnellen Rundgang durch die Stadt nutzen wollen, in der Hoffnung, vielleicht, vielleicht dem Jan zu begegnen.Aber zum Flanieren ist ihr jetzt die Lust vergangen.Und der Mut ebenso.Bloß nichts tun, was bei der Frau Bauerin einen schlechten Eindruck hinterlassen könnte.Vielmehr marschiert sie so schnell sie irgend kann (sie zieht die schlechten Schuhe aus und geht barfuß) zum Einhorn, meldet sich als heimgekehrt bei der Frau Bauerin (die beruhigenderweise genau wie immer zu ihr ist) und macht sich fleißig an die Arbeit.3.AUGUST 1771, DREI UHR NACHMITTAGSVIER MONATE später war das Wetzelische ein Trauerhaus.In der Werkstatt lag der tote Schuster aufgebahrt.Die Tochter Eva saß bei der ausgemergelten Leiche, die Hände im Schoß gefaltet, und schluckte unentwegt.Seit Stunden sitzt sie schon hier.Eigentlich würde sie lieber weglaufen, irgendwo hinaus, an den Main oder vor die Stadt in die Gärten, ganz egal, nur weg, nur einmal etwas anderes sehen als diese dunklen Stuben mit ihrem Geruch nach Tod und Verzweiflung.Vielleicht könnte sie dann auch endlich wieder etwas essen.Im Hintergrund hustet erbärmlich die Stiefmutter, und die Eva kann nicht anders, sie hofft, dass die Stiefmutter nicht das letzte bisschen Geld für Trauerkleidung ausgeben wird.Wie lange wird sie denn die noch tragen, sie ist ja fast schon selbst zu schwach, um auf die Straße zu gehen, es wird kaum mehr als Wochen dauern, bis auch ihre Bestattung bezahlt werden muss.Und dann schämt die Eva sich so für den Gedanken, und es schüttelt sie, und plötzlich weint sie zum ersten Mal und kann gar nicht aufhören, sie zuckt hin und her, das Wasser läuft und läuft ihr aus den Augen, aber sie sieht zu, dass sie nur kein lautes Geräusch dabei macht, die kleinen Geschwister nebenan müssen nicht wissen, wie verzweifelt sie ist.Denen muss sie die Starke vorspielen.Als sie schon länger so still vor sich hin schluchzt, gehen draußen Schritte auf der Treppe.Sie wischt sich mit dem Ärmel die Augen, und eine fremde Weibsperson tritt ein.«Meine Güte!», ruft die Fremde erschrocken, als sie in der Dunkelheit die Leiche erkennt.«Ist der Schuster gestorben?»Die Eva nickt.«Du bist die Tochter?»Die Eva nickt wieder.«Ich such wen», erklärt die Person, «die Susann Brandin, die kennt ihr doch?»Noch ein Nicken.«Und? Ist die bei euch?»Kopfschütteln.«Hast sie gesehen in letzter Zeit?»Kopfschütteln.«Es ist sehr wichtig, dass ich sie find.Wennst sie siehst oder von ihr hörst, kannst mir gleich Bescheid geben? Ich bin die Christiane Rupprechtin und wohn bei meiner Tante in der Bendergass, an der Ecke zum Krautmarkt.Es soll auch dein Schaden nicht sein.»Und ganz bestimmt nicht der Schaden von der Christiane, die geschäftig wieder abzieht auf ihrer Suche nach der Susann.Irgendwo muss die doch abgeblieben sein.Irgendjemand muss sie doch gesehen haben.Und irgendeiner oder irgendeine von den sauberen Bekannten von der Susann, die die Christiane jetzt abklappert, wird sie versteckt halten, das Luder, ganz gewiss.Absichtlich versteckt.Aber das wird ihr nichts helfen, denn die Christiane würd es doch sofort merken, wenn irgendwer sie belügt.Am allerwahrscheinlichsten hält sich das Aas natürlich bei dem Kindsvater auf.Aber wer das ist, da ist sich die Christiane keineswegs sicher, trotz ihres Verdachts gegen den gewissen Konstabler, mit dem sie aber die Susann nur ein einziges Mal gesehen hat, und zugegeben, das wirkte nicht, als hätten sie’s fest miteinander.Doch wer sucht, der findet.Und sie kennt doch die Susann gut.Wenn sie das nicht rauskriegt, wo die sich verkrochen hat, wer denn sonst? Und dann wird sie sich endlich schadlos halten dafür, dass die Susann sie bei der Frau Bauerin aus dem Dienst geekelt hat, das gemeine, liederliche Biest.Mehr als schadlos.Denn die fünfzig Reichstaler, die, wie sie vorhin ganz zufällig und mit unbändiger Schadenfreude gehört hat, großzügig ausgesetzt wurden von der Stadt als Belohnung für den, der die Susann verrät, die Hurenschlampe, die Mörderin, diese fünfzig Reichstaler also hätt sich die Christiane ja in zehn Jahren Dienst nicht ersparen können.Was wäre das eine Gerechtigkeit, eine göttliche, wenn durch ihre Hand jetzt das Luder ans Messer geliefert würde.Und sie fürstlich entlohnt würde dafür.MITTE APRIL 1771DIE SUSANN hat endlich ihre neuen Schuhe, und es verspricht, wie gestern, ein warmer, fast sommerlicher Tag zu werden.Was leider heut früh auch den Mist unter den Aborten zum Stinken bringt [ Pobierz całość w formacie PDF ]