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.Aber die Teile konnten sich wieder vereinigen, nachdem Thrasybulos’ Einheiten abgelassen und sich zurückgezogen hatten.Und dann sah ich ihn.Mit gezogenem Schwert ritt er vor seinen Truppen.Ein silberner Helm mit blauem Federbusch, ein silberner Brustpanzer mit einem goldenen Stern auf der Brust schützten, schmückten und verrieten ihn.Er brüllte, um seine Männer auf den nächsten Angriff einzuschwören, und es gelang.Wie ein einziges gewaltiges Tier setzten sich seine Fußtruppen in Bewegung, unbeirrbar und unaufhaltsam, wie es schien.«Jetzt!», sagte Myson neben mir.«Du musst schießen lassen!»Ich sah ihn verständnislos an.«Nein», sagte ich und zog einen Pfeil aus dem Köcher.Kritias trieb seine Männer zum Angriff.Zwei Stadien war er entfernt: ein unmögliches Ziel.Ich legte an, spannte, zielte leicht über Kritias Kopf und schoss.Der Pfeil ging links neben ihm nieder.Kritias sah noch nicht einmal hin.«Nikomachos!», rief Myson.«Lass deine Männer schießen! Du kannst ihn aus dieser Entfernung nicht treffen!»Ich schüttelte den Kopf, legte den Mantel ab und nahm den nächsten Pfeil.Unter uns ließ Thrasybulos seine Hopliten gegen die Athener anrennen, aber diese Attacke gelang ihm längst nicht mehr so entschlossen wie die erste.Ich sah einen seiner Offiziere eine rote Fahne schwenken.Das war der Befehl für mich.Die Bogenschützen sollten feuern.Ich legte das Geschoss auf die Sehne und zielte rechts neben Kritias.Eineinhalb Stadien: immer noch zu weit.Der Pfeil surrte durch die Luft und verfehlte ihn erneut.Ich angelte mir den nächsten.«Nikomachos, um Himmels willen!», schrie Myson und schüttelte mich.«Du gefährdest die ganze Schlacht!»Ich richtete meine Augen auf ihn.Er ließ sofort ab von mir und tat zwei Schritte zurück.Ich weiß nicht, was er in diesem Moment in mir sah, einen Wahnsinnigen vielleicht, vielleicht einen Dämon.Er hat es mir auch später nie gesagt.Wieder legte ich auf und zielte.Die todbringende Spitze blinkte im Wechsellicht von Sonne und Wolken.Dann war es, als setzte der Wind aus – nur einen winzigen Augenblick lang –, ich legte meine Wünsche, meine Seele, meinen Geist und meinen ganzen Willen in diesen letzten Pfeil.«Jetzt!», sagte etwas in mir und ich schoss.Der Pfeil suchte, der Pfeil fand sein Ziel.Im hohen Bogen ging er auf Kritias nieder und durchbohrte ihm den Hals.Er traf so genau, dass Kritias’ Körper völlig unbewegt blieb.Langsam ließ sein Arm das blinkende Schwert sinken.Unbarmherzig und tödlich war der schwarze Schaft zwischen Helm und Brustpanzer gefahren.Die Kämpfer beider Seiten hielten inne und richteten ihre Augen auf den silbernen Reiter, der langsam vom Rücken seines strahlenden Schimmels glitt und endlich stürzte.Die Waffen schwiegen.Für einen Moment glich die Ruhe auf dem Schlachtfeld der Stille in einem Tempel.Plötzlich zeriss ein Schrei das Schweigen.Aus dem Feld der Reiter löste sich eine in Purpur gekleidete Gestalt und sprengte auf den Toten zu.Kaum bei Kritias angelangt, sprang sie vom Pferd und schloss den Leichnam kniend in die Arme.Jeder weiß, was dann geschah.Es ging von Mund zu Mund und steht seitdem in den Büchern.Noch bevor einer von Kritias’ Offizieren oder einer der verbleibenden Tyrannen das Kommando ergreifen und die Athener erneut in die Schlacht hätte schicken können, fielen die ersten Schneeflocken.Zuerst dachten wir, der Wind treibe launenhaft eine paar Blüten vor sich her, aber diese Blüten schmolzen auf der Haut.Die Soldaten trauten ihren Augen nicht.Die meisten hatten noch nie in ihrem Leben auch nur eine einzige Schneeflocke gesehen.Wer den Schnee kannte, hatte ihn vielleicht einmal im tiefsten Winter im Gebirge erblickt, aber niemals an der Küste und niemals im Herbst.Der Olymp lag im Schnee, das wussten wir alle.Niemand zweifelte daran, wer dieses Zeichen gesandt haben könnte.Die Männer legten ihre Waffen auf den Boden, sahen zum Himmel und fingen die kleinen Kristalle mit offenen Mündern auf.Die Bruderschlacht war beendet, und mit ihr die Herrschaft der Dreißig.Gleich, nachdem Kritias gefallen war und noch bevor die ersten Flocken die Erde berührten, hatte ich meinen Bogen geschultert und war den Hügel hinuntergegangen.Natürlich konnte ich in dem Moment nicht sicher sein, dass der Kampf entschieden war.Es war mir auch gleich.Ich musste ihn sehen.Ich musste seinen Leichnam sehen, musste ihm den Helm vom Kopf ziehen und in Kritias’ totes Gesicht blicken.Vorher würde ich keine Ruhe mehr finden.Ich war nur noch zehn Schritte von Kritias’ Leiche entfernt, als ich den in Purpur gewandeten Reiter erkannte, obwohl ich nur seinen Rücken sah.Er hielt den Toten an die Brust gedrückt.Er weinte und jammerte und schrie wie ein Weib.Als er meine Schritte hinter sich hörte, drehte er sich um.Er sah mich, sah den Bogen und verstand.«Warum nur, warum, Nikomachos?», klagte Lykon und drückte Kritias’ Körper an sich.«Er hat doch niemandem etwas getan!»Zwei Hopliten traten von hinten an Lykon heran und zogen ihn vom Körper seines Geliebten weg.Er wehrte sich verzweifelt.Er heulte, kreischte, spuckte und schrie.Niemand lachte über ihn.Ich kniete mich neben die Leiche und nahm ihr den Helm ab.Es gab keinen Zweifel.Ich sah in Kritias’ tote Augen.«Lasst ihn», sagte ich den Soldaten, die Lykon festhielten.Kaum ihrem Giff entwunden, warf er sich wieder auf den Boden und umarmte seinen Kritias wie zuvor.«Er hat doch niemandem etwas getan! Er hat doch niemandem etwas getan!», wimmerte er immer wieder.«Ach ja?», meinte ich höhnisch und verbittert.«Und was ist mit den vielen Menschen, die er ermordet hat? Was ist mit Periander?»Lykon sah mich mit verheultem Gesicht an, dann schüttelte er den Kopf.«Das war nicht Kritias!», sagte er dumpf.Gerade da begann es zu schneien.Dicke Flocken fielen vom Himmel und bedeckten Kritias’ leblosen Körper wie ein Leichentuch.es war am abend des großen Sieges über die Dreißig Tyrannen.Der Schnee war über Tag geschmolzen, Piräus zur großen Siegesfeier geschmückt.Aspasia reichte mir gerade meinen Purpurmantel, als mein ehemaliger Geliebter Lykon das Haus betrat und darum bat, mich sprechen zu dürfen.Die Augen meines Weibes blitzten grün auf.Sie war von jeher eifersüchtig auf Lykon und duldete ihn normalerweise nicht in ihrer Nähe.An jenem Tag aber nickte sie kurz und ließ mich mit meinem früheren Eromenos allein.Sie wusste, er hatte vor wenigen Stunden den Geliebten verloren, und ahnte die Tiefe seines Verlustes.Das machte sie nachsichtig gegen ihn.Lykon trug nicht mehr das gleiche Gewand wie am Morgen.Er hatte sich in einen schwarzen Umhang gehüllt, sich das Gesicht gewaschen und schien nun männlicher, als ich ihn je zuvor gesehen hatte.Ich führte ihn in Chilons Garten, wo wir uns ungestört unterhalten konnten, und fragte, was er von mir wolle.«Thrasybulos hat Kritias’ Leiche nach Piräus bringen lassen», antwortete Lykon in ruhigem Ton.«Ich bitte dich, mit ihm zu sprechen, damit er sie herausgibt.Ich möchte Kritias beerdigen.»«Ich spreche mit ihm», antwortete ich sofort, «aber unter einer Bedingung.»Lykon verstand, ohne dass ich weitersprechen musste.«Du willst wissen, wie alles geschah», sagte er.«Ich muss», antwortete ich.«Das habe ich erwartet», sagte Lykon und presste die Lippen zusammen.Dann seufzte er tief und begann: «Du weißt, dass ich Kritias schon kannte, als wir ihn in Perianders Elternhaus trafen.Ich war ihm ein paar Tage vorher in der Palaistra begegnet.Ich war mit meinen Kameraden dort.Er kam zu uns, setzte sich zwischen mich und meine Kameraden und schenkte jedem eine Drachme.Jeder Junge wetteiferte um ihn, und ich wollte es ihnen zeigen.Ich wollte der Schönste sein, wollte gefallen
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