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.Auf die Andere Seite gewechselt.Trotz endloser Ausdehnung drängte sie auf uns ein.Der ›Himmel‹ hing so tief wie ein Sargdeckel.Sorel und ich trieben schwerfällig umher, waren nicht mehr Geist, sondern nur noch Fleisch.Ich war hellwach, war mir ihrer Schenkel bewußt, des Fleisches ihrer Arme, die irgendwie geriffelt waren wie Pilzlamellen.Kalter Geruch nach Insekten zog auf, als wir die Steinsäulen umkreisten, die den tiefen Himmel festnagelten.Wir kamen scheinbar kein Stück weiter.›Der Pferch‹ (als solchen benannte ich diese Säulen später in einem Gemälde) drehte sich langsam im Zentrum unserer Unbeweglichkeit wie ein Steinstemensystem.Darinnen wartete wieder jemand, ein Anderes.Unter dem Lichtgitter war aller Sinn für Zeit verloren gewesen – vielleicht weil sich der Geist (im Gegensatz zum Körper) exakt im Tempo der Zeit bewegt; hier aber, auf der Anderen Seite, trieben wir nicht mehr im Zeitfluß.Es herrschte Stillstand.Alles Fürimmer steckte in einem anderen Fürimmer, und die Momente waren nicht mehr im Fluß, sondern stauten sich zu einem Tümpel aus konzentrischen Kreisen, die nirgendwo hingingen.Noch weitere Unterschiede nahm ich wahr.In der LAD-Zone war mir, obwohl tot, durchaus bewußt gewesen, daß ich noch lebte.Hier wähnte ich mich wirklich tot.Daß ich sogar lebendig im Grunde tot war, schon immer tot gewesen bin.Daß dies die Realität ausmachte, in die alles andere einfließt und aus der nichts kommt.Daß dies das Ende aller Dinge ist.Mein Schrecken ebbte nicht ab, nahm aber auch nicht zu.Eine stille Panik füllte jede meiner Körperzellen wie stockendes Blut.Und doch war ich ungerührt; ich sah mich leiden und empfand dabei so wenig Mitleid wie ein Kind, der einen Käfer verbrennen sieht.Sorel war leichenblaß.Sie war dem Pferch irgendwie näher, und als sie danach langte, war der Stein in Reichweite.Sie wandte sich mir zu und zeigte mir ein blankes Gesicht, ein beinernes Starren.Meines sah für sie wohl genauso aus.Unser Nichtsein war vollkommen.Wir befanden uns vor den aufrecht stehenden Steinen und konnten eine Gestalt darin ausmachen.Er (als Mann erkennbar) winkte, und Sorel passierte die Steine.Ich dagegen hielt mich zurück, berührte dann aber auch den Stein (kälter als kalt) und war wieder an ihrer Seite, inmitten des Pferchs, wo wir nun zu dritt waren, und es schien, als hätten wir immer schon so zusammengesteckt.Wir folgten Noroguchi (er war’s gewiß) in ein dunkles Wasser, das immer tiefer wurde.Unter Aufbietung all meiner Willenskraft blieb ich stehen und wandte mich ab, und diesmal war es Sorel, die mir mit knochenbleichem Gesicht folgte.Ich erwachte im Dunkeln, im blinden Dunkel der Welt.Ich berührte den Deckel unseres Sarges.Er war aus Porzellan, glatt und kalt.Ich spürte meine Hand in der von Sorel, im stählernen Zugriff des Todes, empfand keine Angst mehr, nur noch Frieden.Da durchfuhr mich ein Schock, gleich darauf ein zweiter, Dunkel folgte Dunkelheit und alles war still.»Wir haben Kontakt aufgenommen«, hörte ich Sorel sagen.Ich war froh.Wirklich?Ich lag auf der Rollpritsche.Ich richtete mich auf.Meine Hände brannten, die Fingerkuppen schienen in Flammen aufgegangen zu sein.»Der Schmerz rührt daher, daß das Blut wieder zurückfließt«, erklärte DeCandyle.»Sie waren über vier Stunden weg.«Es verwunderte mich, daß er freiwillig Auskunft über die Dauer der Insertion gab.Und da war kein Klick zu hören.Ich ahnte, daß er log.»Ich bringe ihn nach Hause«, sagte Sorel.Ihre Stimme klang raschelnd und dünn, wie die einer Sterbenden.»Ich kann noch fahren.«Es war früh am Morgen.Die Dämmerung bricht zwar nicht mit einem Donnerschlag herein, wie es Kipling beschrieb, aber sie gibt doch auch einen Laut von sich.Ich kurbelte das Seitenfenster herunter, um mir von kühlem Fahrtwind die nächtlichen Schrecken wegblasen zu lassen.Doch die Schrecken kehrten zurück.»Wir waren die ganze Nacht lang weg«, sagte ich.Sorel lachte.»Nur diese eine? Häng noch eine dran, und wir kommen der Sache näher.« Es war das erste Mal, daß ich sie lachen hörte.Sie schien glücklich zu sein.Sie bog in meine Auffahrt ein, blieb stehen und ließ den Motor laufen.Ich langte herüber und drehte den Zündschlüssel.»Ich komme mit rein, wenn du es willst«, sagte sie.»Aber du mußt mir durch die Tür helfen.«Ich half.Sie kam, auf einem Bein hüpfend, recht gut voran.Es überraschte mich, daß sie unter ihrem Nylon-Overall Seidenunterwäsche mit feiner Spitze trug.Mit den Fingerkuppen glaubte ich erfühlen zu können, daß sie weiß war.Eins ihrer Beine war aufgedunsen, die Haut gespannt und kühl.»Sorel«, sagte ich.Der Name Emma wollte mir nicht über die Lippen gehen.»Versuchst du, ihn zurückzuholen oder mit ihm zu gehen?«»Es gibt kein Zurück«, antwortete sie.»Nicht für Körper.« Sie drückte meine Hand an ihre Fingerstümpfe, dann an ihre kalten Lippen, dann zwischen ihre kalten Schenkel.»Also bleib doch bei mir«, sagte ich.Wir suchten einander mit tauben Lippen und Fingern.»Nimm den BH bitte nicht ganz ab«, sagte sie und zog nur ein Körbchen herunter.Die Brust war kalt und klebrig und süß.Allzu süß.»Zu spät«, antwortete sie.»Dann nimm mich mit«, sagte ich.Damit war unsere letzte Unterhaltung zu Ende.»Wie Stonehenge«, bemerkte meine Ex, als sie am folgenden Donnerstag mit Nachschub an Fertiggerichten für die Mikrowelle vorbeikam und durch meine Arbeiten stöberte.»Und was soll das sein? Mein Gott, Ray.Über Pornos läßt sich ja noch streiten, aber das hier, das ist…«»Wie gesagt, das sind alles Traumbilder.«»Um so schlimmer.Die willst du doch hoffentlich nicht ausstellen.Das ist verboten.Aber mal was anderes: Wo kommt eigentlich dieser Gestank her?«»Gestank?«»Dieser Verwesungsgeruch.Als steckte hier irgendwo ein totes Tier.Ich werde William kommen lassen, damit er mal unter den Dielen nachschaut.«»Wer ist William?«»Du weißt doch sehr wohl, wer William ist.«Samstag nacht weckte mich lautes Klopfen an der Ateliertür.»DeCandyle«, sagte ich.»Es ist zwei Uhr.Und wir sind erst für Montag verabredet.«»Ich brauche Sie jetzt«, entgegnete er.»Oder wir können den Montag streichen.« Ich stieg neben ihn in den Honda.Auch wenn er es eilig hatte, fuhr er langsam.»Ich kann Emma nicht zurückholen.Sie ist seit über vier Tagen in der LAD-Zone.So lange war sie noch nie weg.Das Stammgewebe fängt an zu zerfallen.Es sind schon ausgeprägte Anzeichen von Nekrose festzustellen.«Sie ist tot, dachte ich.Der Kerl bringt’s bloß nicht fertig, die Wahrheit beim Namen zu nennen.»Ich habe sie zu oft gehen lassen«, sagte er.»Aber sie hat darauf bestanden, wollte immer länger wegbleiben und immer tiefer vordringen.Sie ist besessen.«»Geben Sie Gas, oder es fährt uns noch jemand hinten drauf«, sagte ich.Ich wollte kein Wort mehr hören und schaltete das Autoradio ein.Wir hörten Carmina Burana, Lieder, die eine Pilgergruppe auf ihrem Weg zur Hölle vorträgt.Das paßte, wie ich fand.DeCandyle half mir auf die Rollpritsche, und ich ertastete einen geschwollenen, steifen Körper neben mir.An den Geruch gewöhnte ich mich schnell.Zögerlich und zaghaft steckte ich meine Hand in den Handkorb.Ihre Hand fühlte sich weich an, wie alter Käse, und statt wie sonst nach mir zu greifen, blieben ihre Finger schlaff.Natürlich, sie war ja tot.Ich wollte nicht gehen.Dagegen sträubte sich in mir plötzlich alles.»Moment«, rief ich und wußte doch, daß es zur Umkehr zu spät war.Er schickte mich ihr nach.Die Pritsche rollte schon, und die kleine quadratische Tür schloß sich mit leisem Klicken.Mich ergriff Panik; meine Lungen füllten sich mit dem sauren Geruch von Atropin und Formaldehyd.Ich spürte den Verstand auf ein handhabbares Maß schrumpfen.Meine Finger im Handschuh fühlten sich winzig, elend und verloren an, bis ich die ihren fand
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