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.»Und dann ist es für Kinder sehr schwierig – ich möchte es mal vorsichtig ausdrücken –, vertrauensvoll groß zu werden.Unser Familienleben spielte sich so ab: stark verriegelt, das Kontrollbedürfnis meines Vaters ging sehr weit; ich lesend in einem Sessel sitzend über Jahre.«Zwar besaß sie als Kind ein Fahrrad, aber sie durfte es nicht benutzen.Der Schulweg sei zu gefährlich, fanden die Eltern.Hanna war schon über zwanzig Jahre alt, als sie sich endlich traute, ihr Rad auch im Stadtverkehr zu benutzen.»Als ich mich das erste Mal auf dem Rad in die Innenstadt gewagt hatte, waren meine Hände schweißnass, und ich fürchtete jeden Moment zu verunglücken.«Hanna kannte keine schönen Feste, keine Geselligkeit, noch nicht einmal Familiengeburtstage, an die sie sich heute gern erinnert.Es wurden dort keine aufregenden, verblüffenden oder umwerfend komische Geschichten erzählt, in der Art, wie sie in lebendigen Familien von einer Generation zur nächsten weitergereicht werden.Dass es derartige Traditionen real gibt – und nicht nur in Romanen –, erfuhr Hanna erst, als sie zu den Familienfesten ihres Mannes eingeladen wurde.In dessen Verwandtschaft wird auch offen über die Kriegsschrecken geredet.»Man merkt einfach, dass auch dieser Teil ihrer Vergangenheit in ihnen lebendig geblieben ist«, beschreibt sie das Gesprächsklima.Vermutlich hätten die Eltern ihres Mannes den Krieg besser verkraftet, weil sie im Unterschied zu Hannas Eltern damals bereits erwachsen gewesen seien.Im Übrigen geht die Tochter davon aus, dass Mutter und Vater das Leben, das sie führen, völlig anders schildern würden.»Das ist etwas, das sie nicht reflektieren können«, weiß sie.Früher hatte sie gehofft, dass, wenn ihr Vater in Rente gehe, etwas in ihm aufbreche und er milder und zugänglicher würde.»Aber das war, glaube ich, ganz unpsychologisch von mir gedacht.Seit er Rentner ist, hat sich seine Pedanterie nur noch verstärkt.Das wuchert jetzt immens.«Und dennoch: Würde der Vater ihr heute anbieten, mit ihm in seine alte Heimat zu fahren, sie würde sofort zusagen.Aber das könne schon deshalb nicht passieren, bedauert seine Tochter, weil sie dann womöglich eine gemeinsame Nähe hätten, die der Vater nicht aushalten würde.Sie befürchtet: »Wenn ich mir vorstelle, ich würde mit ihm am Grab meines Opas stehen, der in den letzten Kriegstagen gefallen ist, und es würden sich dort zwischen uns irgendwelche Gespräche anbahnen, die ihm nahegehen, das könnte mein Vater nicht ertragen.«Hanna Kuhn glaubt nicht mehr daran, dass sich das Verhältnis zu ihren Eltern irgendwann noch einmal verbessern wird.Die gegenseitige Fremdheit wird wohl Teil ihrer Beziehung bleiben.Sie hat eingesehen, dass ihr Erscheinen bei den Eltern in der Regel nicht mehr als ein Pflichtbesuch sein kann.Lebte ihre Mutter allein, dann gäbe es vielleicht eine Chance, sie ein kleines Stück aus ihrem beschränkten Alltag herauszulocken, glaubt Hanna und sieht für einen kurzen Moment glücklich aus.Aber so kontrolliere ihr Vater alles, selbst Mutters Telefongespräche.Seine Frau darf sich, bildlich gesprochen, keinen Millimeter von ihm entfernen.Wenn Hanna an ihre Familiengeschichte denkt, sind ihre vorherrschenden Gefühle Resignation und Trauer – und ein großes Bedauern, weil sie kinderlos geblieben ist.Auch hier sieht sie einen Zusammenhang zu dem, was ihre traumatisierten Eltern ihr nicht haben geben können.»Ich habe eben Kindheit, auch Kinderhaben nie als erstrebenswert erfahren«, sagt sie leise.Ein Steinmetz wirft die Brocken hinWenn Menschen mit über vierzig noch keine eigene Familie gegründet haben, erleben sie sich als Außenseiter.Michael Hartwig* merkt das mit jedem Jahr mehr, das verstreicht.Zurzeit macht der gelernte Steinmetz eine Ausbildung im öffentlichen Dienst, von der er sich weniger Stress im Berufsalltag verspricht als bei seinem letzten Arbeitsverhältnis.Wie Konrad Matzke hat auch er eine Suchterkrankung hinter sich, obwohl beide das vorsichtiger formulieren würden, weil sie den Rückfall fürchten und alles tun, um gar nicht erst in seine Nähe zu kommen.Michael, 1961 geboren, trinkt bereits seit 18 Jahren keinen Alkohol mehr, aber auf der absolut sicheren Seite fühlt er sich nicht.Und dies sei auch gut so, meint er, das erhalte seine Vorsicht dem Stoff gegenüber.Er hält sich für gefährdet, seit ihm seine Suchtverlagerung bewusst wurde; als er schließlich trocken war, sei er arbeitssüchtig geworden.Außerdem hätten seine Lebensängste weiter bestanden.Im Jahr 2000 erlebte er eine Krise, von der er sich bis heute noch nicht wirklich erholt hat.Einiges war damals zusammengekommen.Erst war eine langjährige Beziehung zu Ende gegangen, kurz darauf hatte er seine Arbeit gekündigt.»Es war ein ausbeuterisches Verhältnis«, sagt er.»Ich wurde mit jedem Arbeitstag wütender.Am Ende war ich geladen wie eine Granate.« Und als er merkte, dass es ihn wieder mit Macht zurück zur Flasche drängte, zog er die Notbremse und warf die Brocken hin, durchaus im Sinne des Wortes, denn er war ja Steinmetz
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