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.» Die gesellschaftlichen Verpflichtungen, die ihm als Professor oblagen und die er bald auch sehr anstrengend fand, konnten ihm nicht seine Freunde ersetzen und den intensiven persönlichen Kontakt mit wenigen Auserwählten, die ihm doch wie die Luft waren zum Atmen.Erwin Rohde hatte er noch im Januar eine hochherzige Freundschaftserklärung gemacht, die aber auch sein schleichendes Einsamkeitsgefühl ausdrückte und die Angst, der dünne Boden solcher sensibler Freundschaft sbeziehungen könne den Ansprüchen seines Innenlebens und den Absonderlichkeiten, die daraus erwuchsen, nicht standhalten.«Wer sich als Einsiedler zu fühlen gewöhnt hat», schrieb er dem Freund, «wer mit kalten Blicken durch alle die gesellschaftlichen und kameradschaftlichen Verbindungen hindurchsieht und die winzigen und zwirnfädigen Bändchen merkt, die Mensch an Menschen knüpfen, Bändchen so fest, daß ein Windhäuchchen sie zerbläst: wer dazu die Einsicht hat, daß nicht die Flamme des Genies ihn zum Einsiedler macht, jene Flamme, aus deren Lichtkreis alles flieht, weil es von ihr beleuchtet so todtentanzmäßig so narrenhaft, spindeldürr und eitel erscheint: nein wer einsam ist vermöge einer Naturmarotte, vermöge einer seltsam gebrauten Mischung von Wünschen Talenten und Willensstrebungen, der weiß, welch ‹ein unbegreiflich hohes Wunder› [Wagner: Tannhäuser, die Verf.] ein Freund ist.» Mit Deussen, der angesichts Nietzsches Basler Berufung einen minimal falschen Ton in einer Briefäußerung angeschlagen hatte, hat er dann sogar hochherzig gebrochen, woraufhin Deussen wieder reuevoll, werbend, sich selbst bis zum Äußersten zurücknehmend, auf ihn zuging.Es war wirklich sehr dünnes Eis, auf dem diese Freundschaften glitten und in die Nietzsche immense Erwartungen setzte.Aber er hatte ja auch viel zu geben.In Basel kamen zwei wichtige neue Freunde hinzu: der junge Franz Overbeck, Professor für Kirchengeschichte, und der 26 Jahre ältere Kunsthistoriker Jacob Burckhardt.Die restlichen «Pfahlbürger» und auch das Gros seiner Kollegen, mit denen er – schlimm genug! – täglich zu Mittag essen musste und unzählige Einladungen zu absolvieren hatte, meinte er sich eigentlich sparen zu können.Es gab unter jenen und in ihren Geselligkeitszirkeln, schrieb er an Sophie Ritschl, nicht einmal geistvolle Gattinnen, die ein Anziehungspunkt solcher Abende sein konnten.In Basel jedenfalls brannte man vor Neugier auf das Jung-Genie Friedrich Nietzsche, das am 28.Mai 1869 an der Universität beziehungsweise im Vortragssaal des Museums seine mit Spannung erwartete Antrittsvorlesung hielt.Titel: «Homer und die klassische Philologie».Für eine Antrittsvorlesung war dieser Text ziemlich frech, wenn auch dezent und elegant dargeboten mit rhetorischem Können und stilistischem Schliff, Witz und Esprit, weshalb es auf die – in der Schweiz ja immer etwas langsameren – Zuhörer nicht provozierend wirkte.Es gebe derzeit, so der Redner, keine einheitliche und erkennbare öffentliche Meinung über die klassische Philologie.Vielmehr sei sie aus mehreren Wissenschaften gewissermaßen geborgt, wie ein Zaubertrank, der aus fremdartigsten Säften, Metallen und Knochen zusammengebraut sei: Geschichte, Naturwissenschaft, Ästhetik, um nur die vorherrschenden Bestandteile zu nennen.Dieser Krötensaft, dieses Hexenwerk (Nietzsche paraphrasiert und damit zugespitzt) mit seinen künstlerischen sowie auf ästhetischem wie ethischem Boden imperativischen Elementen stehe aber in seinem rein wissenschaftlichen Gebaren zu diesen in bedenklichstem Widerstreit.Wie konnte ein so heterogenes Konstrukt einen derart positivistischen Anspruch vertreten? In ihrer normativen Ästhetik schließlich und in der Absicht, «eine verschüttete ideale Welt heraus zu graben und der Gegenwart den Spiegel des Klassischen und Ewigmustergültigen entgegen zu halten», entwickelte sie sich zu einer Art von «Scheinmonarchie», was vor allem dadurch erklärt wird, dass sie ihrem Ursprunge nach und zu allen Zeiten zugleich Pädagogik war.War sie dadurch aber zugleich legitimiert? Das Jung-Genie, das hier mit scharf gewürztem verbalen Geschütz die Bastille einer «Scheinmonarchie» elegant bombadierte, ließ so einige Fragen mit einigem Nachhall im Raum stehen.Und den Schülern, etwa den Musterschülern in Schulpforta, konnte man schließlich alles erzählen.Nun aber, so Nietzsche, habe die Philologie in der Gegenwart nach ihrer schönen und langen Geschichte doch einige Feinde
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