[ Pobierz całość w formacie PDF ]
.Dee schloss die Schublade und durchquerte das Zimmer mit schmerzenden Knien.Es war Ostern, aber davon war in der Stille auf dem Gut nichts zu merken.Claire hatte irgendetwas gebacken, das käsig und lecker roch, das war jedoch das einzig Festliche.Dee lauschte, aber das Haus war wirklich völlig leer.Am besten ging sie nach draußen und sah nach Icicle, überlegte sie.Damit wäre sie wenigstens in guter Gesellschaft.»Ich mache einen Spaziergang!«, rief sie laut, als ob es irgendwen interessieren würde.Aber niemand antwortete.Selbst die Uhr tickte nicht.In der Salzscheune fühlte sich Dee am wohlsten.Die trockene Luft dort entspannte ihren Rücken und machte einen klaren Kopf.Sie warf das Tor auf und atmete tief durch.Am liebsten hätte sie sich aus diesem Duft etwas gestrickt und sich dann darin eingehüllt.Das war viel besser als die Räucherstäbchen, die sie damals in Vermont auf Partys angezündet hatten – vielleicht sogar besser als das Gras, das sie sich damals beschafft hatten.Selbst Icicle, der mit seinem Heu in einer Ecke stand, trug trotz des Dungs noch zur allgemeinen Gemütlichkeit bei.Wenn er Dee hereinkommen hörte, wieherte er jedes Mal leise, sie war jedoch vorbereitet und zog eine Möhre aus ihrer Jackentasche.Sie ließ ihn mit den warmen Nüstern über ihren Nacken fahren, bot ihm dann auf der flachen Hand die Karotte an, freute sich über die lauten Kaugeräusche und lachte, als er sie anstupste und sie ein wenig zur Seite wankte.Langsam verlagerte sich ihr Körperschwerpunkt, so viel war sicher.Beim Treppensteigen schienen ihre Hüften kaum noch zusammenzuhalten, und ihre Knie fühlten sich an wie Gummi, aber in ihrem Inneren ging mehr vor als nur eine körperliche Veränderung.Kurz vor ihrem Schulabgang hatten sie über Flüsse gesprochen, in Erdkunde, dem einzigen Fach, das sie je interessiert hatte.Vielleicht, weil sie damals schon geahnt hatte, dass sie nie weiter reisen würde als mit dem Finger auf der Landkarte.Ihr Lehrer hatte ihnen erzählt, dass Flüsse unter ganz besonderen Umständen manchmal ihren Lauf änderten und in die andere Richtung flossen, zum Beispiel bei heftigen Erdbeben.Daran musste Dee jetzt denken.Ihre Schwangerschaft schritt weiter fort, und sie fühlte sich immer mehr wie ein solcher Fluss.Durcheinander und aufgewühlt war sie ja bereits, aber sie hatte die starke Vermutung, dass die Geburt sie völlig auf den Kopf stellen würde.Zum hundertsten Mal wünschte sie sich, das bliebe ihr erspart.»Das Leben ist hart«, hatte ihr Vater als Antwort auf ihre Nörgeleien immer getönt.Damals hatte sie gedacht, er wollte sie einfach nur zum Schweigen bringen, aber was wäre denn, wenn er die Wahrheit gesprochen hatte? Nicht der Alltag war hart, begriff Dee nun langsam, sondern das Leben an sich.Und soweit sie das überblicken konnte, begann es mit unfassbaren Schmerzen und ging noch viel schlimmer zu Ende.Und was sie mit dem Rest dazwischen anfangen sollte, war diffus und schwammig wie ein Traum.Dee musste an die Zeit nach dem Tod ihrer Mutter denken.Zu jenem Zeitpunkt hatte es sich so angefühlt, als wäre die Luft im Haus für immer zum Stillstand gekommen.Die Uhren waren stehen geblieben.Keiner ging mehr ans Telefon.Selbst der Kühlschrank summte nun leiser vor sich hin.Dee war nicht sicher, ob sie nicht auch gestorben war.Cutt sah sie kaum an.Verwandte tauchten auf und verschwanden wieder.Dee ging wieder zur Schule zurück, wo niemand erwähnte, dass sie überhaupt weg gewesen war, und kehrte dann in ein leeres Haus heim.Was ihre Mutter wirklich ausgemacht hatte, die kleinen Dinge – die rauchige Farbe ihrer Augen, das lustige Lachen, die Form ihrer Füße – verblassten mit jedem Tag ein wenig mehr.Dee fragte sich, ob Cutt sie wohl jetzt auch so vermissen würde, ob ihm die Zimmer über dem Restaurant leer vorkamen, wenn er nach seiner Schicht nach oben kam, sie konnte es sich aber kaum vorstellen.Denn sie war ja auch nicht richtig weg, nicht ganz.Am Tag nach ihrer Ankunft auf der Salt Creek Farm hatte sie Cutt sogar angerufen und ihm gesagt, wo sie steckte.»Ich habe keine Tochter«, hatte er erwidert und dann den Hörer laut aufs Telefon geknallt.Ihr Vater wusste, wo er sie finden konnte.Es interessierte ihn nur nicht.Trotzdem war es irgendwie seltsam.Hier draußen auf der Salt Creek Farm, wo es doch gar nichts gab, fühlte sie sich lebendiger als in den letzten Monaten.Vielleicht, dachte sie und schob sich die Hand unter den Bauch, lag das am Gewicht des Babys, das Körperteile von ihr ausfüllte, von denen sie gar nicht gewusst hatte, welche Leere darin herrschte.Oder vielleicht auch daran, dass die Leute mit ihren Geschichten über das Gilly-Salz wirklich recht hatten.Es verdrehte ihr den Kopf, und sie glaubte plötzlich, dass in ihr Leere herrschte, wenn sie doch voll war, dass sie glücklich war, wenn sie doch eigentlich trauerte, und dass sie doch sicher für irgendjemanden wichtig war, viel mehr wert als ein Teller Eier mit Speck.Claire erschreckte Dee fast zu Tode, als sie in der Scheune plötzlich aus dem Schatten trat
[ Pobierz całość w formacie PDF ]