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.„Und Sie schauen weiter nach vorne.Das geht Sie gar nichts an“, fuhr Christiano den Taxifahrer an, der sich eilig wieder der Fahrtrichtung zuwandte.Lucrezia hatte plötzlich das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen.Sie öffnete die Wagentür und stieg aus.Sie atmete tief die frische Luft ein.Zufrieden stellte sie fest, dass ihr natürlicher Schutzmechanismus noch funktionierte.Wenn es eng wurde, einfach gehen.„Lucrezia, was soll das? Drehen denn jetzt alle durch?“Sie drehte sich noch einmal um.Christianos hochroter Kopf steckte aus der geöffneten Tür.Sie erhaschte einen Blick auf den Taxifahrer, der den Daumen zustimmend hochhielt.Sie grinste und eilte davon.Christiano lehnte sich im Sitz zurück.Das durfte doch nicht wahr sein.„Die Frau hat Format“, bemerkte der Taxifahrer.„Jetzt fangen Sie nicht auch noch an.Bringen Sie mich lieber ins Büro“, entgegnete Christiano ungehalten.Hatte sich denn heute alles gegen ihn verschworen? Wer fragte eigentlich, wie es ihm bei alldem ging?Wütend wählte er Annas Nummer.Sie schuldete ihm eine Erklärung.Nach dem zweiten Klingeln nahm sie ab.„Was willst du?“„Ich bin immer noch dein Mann, falls dir das entfallen ist.“„Woran du dich nicht immer zu erinnern scheinst“, erwiderte sie.„Was sollte der Auftritt?“ Christiano überging ihre spitze Bemerkung.„Ich habe wieder angefangen zu arbeiten.Dass du auf der Gegenseite bist, ist Zufall.“„Und das soll ich dir glauben?“„Du nimmst dich wie immer zu wichtig.Glaub es oder lass es.Es ist mir egal“, entgegnete sie gleichgültig.„Ist das die Rache der intelligenten Hausfrau, dem untreuen Mann im Büro dazwischenzukommen? Kannst du nicht meine Anzüge zerschneiden oder mein Auto zerkratzen wie andere rachsüchtige Ehefrauen?“ Ihre Gleichgültigkeit reizte ihn.„Deine Bemerkung spricht Bände, wie du über mich denkst“, entgegnete sie kühl.„So habe ich das nicht gemeint“, lenkte er ein, „ich wollte nur verletzend sein.Tut mir leid“, fügte er leise hinzu.Anna schwieg.„Anna, es war auch deine Entscheidung, deinen Job aufzugeben“, gab er nach einer Weile zu bedenken.„Und es war ein Fehler, den ich jetzt bereinige.Ich habe zu tun, wie du weißt.Auf Wiedersehen, Christiano.“ Sie legte auf.Entgeistert starrte Christiano auf sein Handy.„Das träum ich doch jetzt“, murmelte er.Lucrezia saß in einem Straßencafé und trank einen Martini, obwohl es viel zu früh war.Sie öffnete ihre große Handtasche, nahm ein Paar schwarze Flip-Flops heraus und streifte ihre hochhackigen Schuhe ab.Sie betrachtete abwesend ihre rot lackierten Fußnägel.Was lief schief? Sie hatte ein schlechtes Gewissen Anna gegenüber.Das ließ sich nicht mehr schönreden.Außerdem hatte sie Angst, ihre einzige Freundin zu verlieren.EngeFreundschaften hatte sie ebenso gemieden wie enge Beziehungen.Jetzt erinnerte sie sich, warum; es war zu kompliziert.Vertraute Gespräche, das Gefühl, bei einem anderen Menschen geborgen zu sein, hatte alles seinen Preis: die Angst des Verlustes.Jetzt war auch noch die private Verwirrung auf ihr Berufsleben übergeschwappt.Sie nahm einen Schluck von ihrem Getränk.Doch das war nicht alles.Sie beobachtete eine Gruppe von Touristen, die in kurzen Hosen, Turnschuhen und mit Kameras vor dem Bauch an ihr vorbeischlenderten.Sie war innerlich aufgewühlt.Da war wieder das Ziehen im Magen.War sie krank? Übersah sie etwas? War es, wie Anna gesagt hatte, reichten ihr die Abenteuer nicht mehr? Hatte sie in einem schier unmöglichen Moment ihr Bedürfnis nach wahrer Liebe entdeckt? Vielleicht sollte sie ganz von Neuem anfangen, neue Stadt, neuer Job, neues Leben.Am besten weit weg, im Ausland.Die Idee gab ihr Zuversicht.Sie würde sich mit ein paar Headhuntern in Brüssel in Verbindung setzen.Die Sonne wärmte tröstend ihre Füße.Das Klingeln ihres Telefons riss sie aus ihren Gedanken.„Ich will dich in zehn Minuten in meinem Büro sehen.Sonst feuere ich dich.“ Christianos Stimme war ruhig und aufregend.Das Ziehen in Lucrezias Magen war diesmal angenehm.Sie schüttelte den Kopf.Ich bin unverbesserlich, dachte sie.„Aye, aye, Chef!“ Damit legte sie auf.Sie ließ das Geld auf dem Tisch und eilte in Richtung Domplatz.Anna saß an ihrem Schreibtisch.Sie hatte gerade mit ihrer Bekannten bei der Kommission gesprochen.Sie hatte bestätigt, dass ein Sofortvollzug im Grunde möglich sei, aber dass sie es natürlich mit ihren Kollegen und dem rechtlichen Dienst abklären müsste.Sie hatte ihr Tipps gegeben, auf welche Dokumentation sie im Antrag, insbesondere bezüglich der finanziellen Situation, abstellen sollte.Anna hatte eine E-Mail an das Team geschickt.Die Dokumente, die Bruna ihr gegeben hatte, sollten alles Wichtige enthalten.Aber um sicherzugehen, mussten sie mit den Banken sprechen.Vor wenigen Minuten hatte Lucrezia ihr die Ergebnisse ihrer Recherche zukommen lassen.Sie war nervös.Würde sie es hinbekommen? Shaban blieb heute über Nacht.Ihr Mann passte auf ihre Kinder auf.Falls Laura aufwachte, würde Shaban sich um sie kümmern.Laura.Ihr Engelsgesichtchen tauchte vor ihrem inneren Auge auf.Das schlechte Gewissen nagte.Sie hatte heute kaum Zeit mit ihrer Tochter verbracht.Sie gab Laura nicht die Aufmerksamkeit, die sie brauchte.Aber sie würde erst wieder eine gute Mutter sein können, wenn sie mit sich im Reinen war.Entschlossen wandte sie sich dem Computer zu und rief ein Word-Dokument auf.Kurz erinnerte sie sich an die durchgearbeiteten Nächte in London, an das einsame Schreibtischlicht im dunklen Büro.Eine fiebrige Aufregung befiel sie.„Dann wollen wir mal“, sagte sie laut.Kurz nach elf klopfte es an der Tür.Anna hob ihren müden Kopf.Ihre Augen brannten.Sie war es nicht mehr gewohnt, am Computer zu arbeiten.„Ja.“Die Tür öffnete sich, und Shaban stand mit einem Tablett im Zimmer.„Sie müssen sich stärken, Signora.“ Sie stellte das Tablett auf dem Schreibtisch an.Dort stand ein dampfender Pastateller, ein Glas Rotwein, Wasser und Weintrauben.„Sie haben heute Abend noch nicht gegessen.“Anna merkte erst jetzt, wie hungrig sie war.„Vielen Dank“, sie sah Shaban dankbar an.Sie war die Einzige, die sich um sie kümmerte.Der Gedanke war aus dem Nichts gekommen.Sie wollte noch etwas sagen, aber Shaban schloss schon wieder die Tür hinter sich.Sie trank einen Schluck Rotwein und starrte in die Nacht.Was Christiano wohl machte? Sie sah auf das Foto, das auf dem Schreibtisch stand.Christiano, sie und Laura kurz nach der Geburt.Sie strich über Christianos Wange und Mund.„Mit dir möchte ich mit achtzig Jahren auf einer Parkbank sitzen und mich über die verdorbene Jugend auslassen“, hatte er zu ihr gesagt und sie zärtlich angesehen.Sie hatten an einem Sonntagabend auf der Couch gesessen, Pizza gegessen und ein Video angesehen [ Pobierz całość w formacie PDF ]