[ Pobierz całość w formacie PDF ]
.Zuletzt war Sophie so schwach, dass man um ihr Leben fürchtete.Sie war kaum noch bei Sinnen, aß und trank nicht mehr.Bösch hatte seinen Arbeitsplatz an ihre Seite verlegt und während er gemeinsam mit Catharina über Sophies Dämmern wachte, feilte er am Räderwerk der Weltenmaschine.»Die äußere Sphäre wird an ihren Ringen die Sternbilder tragen«, kommentierte er sein Tun, denn er war davon überzeugt, dass nur die Stimmen ihrer Lieben Sophie zurück in diese Welt locken könnten.»Wir werden die Sternbildfiguren aus Messingblech fertigen, ganz nach dem Vorbild deiner Zeichnungen, Sophie.Du wirst sie bemalen, wenn du wieder gesund bist.Auf ihren Innenseiten tragen die Bilder kleine Silbersterne.Ihrer Helligkeit entsprechend werden wir sie in sechs verschiedenen Größen schaffen.«Catharina schüttelte den Kopf über sein Selbstgespräch, doch Bösch vertraute darauf, dass seine Beharrlichkeit sich auszahlte.So wie das stumpfe Metall in seinen Händen sich durch die Kraft seines Willens zu einem Abbild des Himmels formen ließ, meinte er, Sophies Kräfte durch sein Wollen beeinflussen zu können.»Aber sie muss essen.Und sie muss endlich etwas trinken«, widersprach Catharina, die sich mühte, Sophie etwas verdünnten Wein und Suppe einzuflößen.Doch die Tropfen perlten von ihren beharrlich zusammengepressten Lippen ab.»Sie muss zu Kräften kommen, dann wird sie zu uns zurückfinden.«»Du gehst deinen Weg und ich wähle meinen«, nickte Bösch und reichte Catharina ein Tuch, damit sie sich die Tränen aus den Augen wischen konnte.»Wichtig ist doch nur, dass sie einen Pfad einschlägt, der sie zurück in unsere Mitte führt.«Bösch bemühte sich, zuversichtlich zu klingen.Doch abends, wenn er allein an Sophies Bett saß und ihr Gesicht betrachtete, das schmal und blass in den Kissen lag, spürte er, wie ihn die Angst packte, sie zu verlieren.Da war kaum noch Kraft in ihrem zerbrechlichen Körper und bisweilen glaubte er, einen jenseitigen Glanz in ihren Augen wahrzunehmen, wenn diese sich kurz öffneten.»Sophie, Sophie, Sophie«, murmelte er beschwörend, um den Dämon des Todes fernzuhalten.»Du musst bleiben, streng dich an! Die Sterne warten doch auf dich.«Er spürte, dass sie auf der Schwelle zu einer anderen Welt balancierte.Und er fragte sich, wie lange er sie noch halten könnte.Ein Tag verging noch und ein zweiter, dann veränderte sich Sophies Atem.Er wurde so flach, dass er kaum noch spürbar war.Eine Erinnerung nur noch, ein Davongleiten.Catharina rief Caspar, Melissa und Olearius in die Kammer über der Schmiede, damit sie Abschied von Sophie nehmen konnten.Olearius war vom Schmerz gezeichnet.Er nahm Sophies Hand und führte sie an seine Lippen, während er leise Worte murmelte.»Ich war an Kunst und Gut und Stande groß und reich«, hörte Bösch ihn flüstern.Er hatte die Worte schon einmal gehört und wusste, dass diese von einem ebenfalls verstorbenen Freund stammten.»Verzeiht mir, bin ich’s wert, Gott, Vater, Liebste, Freunde.Ich sag euch gute Nacht, und trete willig ab.Sonst ist alles getan, bis an das schwarze Grab.«Auch Melissa murmelte etwas, sie war in Tränen aufgelöst.Obwohl Catharina ihr über die Jahre zur zweiten Mutter geworden war, hing sie doch an ihrer Schwester.Ihre Zuneigung war tief, auch wenn ihr Band nie so eng geknüpft war wie Sophies Verbindung zu Christian.Dann trat Caspar vor.Es war schmerzlich zu sehen, wie das Kind mit bebenden Lippen vor seiner sterbenden Mutter stand.Catharina spürte, dass er nicht weinen wollte, doch sie flüsterte ihm zu, dass er sich nicht schämen müsse.»Weine, Caspar, weine«, sagte sie und nahm ihn fest in ihre Arme.»Sie ist deine Mutter und sie verdient deine Tränen.Jede einzelne …«Und so warf sich Caspar schluchzend über Sophie, begrub sie unter seinem Schmerz, bis der Tränensturz versiegte und Olearius ihn aus dem Zimmer trug.Caspar hatte Abschied genommen und zuletzt, unbemerkt von allen anderen, hatte er seiner Mutter etwas in die kalten, leblosen Hände gedrückt.ZWEI»Sator …«Nach endloser Dunkelheit durchbrach ein Wort die Stille.Sophie lauschte.Eine Kinderstimme, hell und von unbändigem Willen.»Arepo …«Caspar.Plötzlich sehnte sie sich danach, ihn in ihre Arme zu ziehen.Wo war er die ganze Zeit gewesen? Sophie dachte, dass sie einige Stunden fort gewesen war.Sie hatte jedes Zeitgefühl verloren.»Tenet …«Was waren das für seltsame Worte? In ihren Ohren klangen sie wie eine fremde Melodie.»Opera …«Ein Bannspruch … Sophie begann, sich zu erinnern.Wie Zahnrädchen in ihrem Kopf griffen die Erinnerungen ineinander.Immer schneller begann das Räderwerk sich zu drehen.Bilder und Gefühle wirbelten in ihren Gedanken durcheinander – der Garten, ihr Sohn, die Sternenbilder.Und Bösch, der Globusmeister.Wo war er?»Rotas …«Sator arepo tenet opera rotas – das war der Bannspruch.Johannas Bannspruch, er hatte ihr so manches Mal geholfen.Besaß er die Kraft, sie aus der Dunkelheit zu befreien?Sophie versuchte, sich zu bewegen.Doch ihr Körper gehorchte ihrem Willen nicht.Sie fror und fühlte sich wie unter einer Schicht aus Eis begraben.Sator arepo tenet opera rotas.Noch einmal wiederholte sie die magischen Worte.Sie versuchte, ihre Lippen zu bewegen, nach Luft zu schnappen, sich aus dem Eispanzer zu befreien.Etwas Süßes rann in ihren Mund.Süßer Wein … Sie spürte, wie er auf der Zunge brannte, Tropfen für Tropfen die Kehle hinabrann und die Barriere aus Eisschollen überwand.Silberne Sterne flackerten vor dem dunklen Grund ihrer Lider auf, Kraft und Zuversicht.Sator arepo tenet opera rotas.Wieder versuchte sie, sich zu bewegen.Einen Finger, eine Hand.Eine Anstrengung, die kaum zu bewältigen war.»Allahu akbar …«Noch eine weitere Stimme, wohlig und vertraut.Sie war noch weiter in der Zeit zurückgereist.Da war kein Eis mehr.Sie streckte die Hand nach der Stimme aus, versuchte, ihre Melodie zu fassen.Nun war ihr so, als müsste sie sich durch dichtes Blattwerk kämpfen.Wieder drehte das Räderwerk sich in ihrem Kopf.Wo war sie?»Allahu akbar …«Der fremde Junge! Sophie sah ihn vor sich, sah seine fließenden Bewegungen, den merkwürdigen Tanz, hörte den Strom der feierlich-fremden Worte.Er hatte ihr zunächst Angst eingeflößt, doch dann hatte sie in seine dunklen Augen gesehen.Sie waren tief und gleichzeitig warm und freundlich.Sie hatte gedacht, dass sie den Perser nicht fürchten müsste.Der Perser – war er zurück?Sophie versuchte, ihre Hand zu heben, sein Gesicht durch das Blätterwerk zu berühren.Nun sah sie das dunkle, wellige Haar, von dem sie wusste, wie es roch [ Pobierz całość w formacie PDF ]