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.Oder ein Herztransplantierter verliebte sich in einen anderen Herztransplantierten.Plötzlich mussten nicht nur zwei, sondern vier fremde Wesen miteinander auskommen.Brigitte Lasbeck dachte flüchtig an all die Theorien, die es zur Verpflanzung gab: Zellgedächtnis.In jeder Zelle des Spenderorgans schlummere seine gesamte Erfahrung und Individualität.Energieübertragung: Die spezifische feinstoffliche Energie des Spenderorgans lebe im Empfänger fort.Und so weiter, und so weiter.Es endete bei Telepathie und ›ortsungebundenen Geistern.‹ Damit versuchten manche Empfänger etwas zu rechtfertigen.Aber für Mord gab es keine Rechtfertigung.Dann die andere Gruppe: die Vernünftig-Rationalen.Sie waren ihr genauso suspekt.Der Körper als Reparaturbetrieb.Motto: Ich brauchte einfach eine neue Pumpe, und jetzt geht’s mir wieder gut.Hervorragend sogar.Ich sprinte wie in Jugendtagen.Nur manchmal … Ja, und dann gaben sie es zu: Das neue 20-jährige Herz schlug kräftig, nur der übrige, inzwischen 57-jährige Restkörper zog irgendwie nicht mit.Warum? Was erlahmte da? Der Körper? Die Seele? Sie fielen in eine Depression.Abartig, unnatürlich, gewaltsam, dachte Brigitte Lasbeck erneut.Ein Eingriff in die Schöpfung, forciert von operations- und prestigesüchtigen Transplanteuren.Was war jetzt aus Holger geworden? Er war tot, aber sein Herz war nicht dort, wo es hingehörte.Brigitte Lasbeck erinnerte sich mit leiser Genugtuung, wie sie die Identität der Empfängerin rausgefunden hatte.Zuerst war es Neugier gewesen und ein Gefühl, ob die Person wohl ihres Sohnes würdig wäre.Wer war es, wie sah sie aus, wie lebte sie? War sie ein guter Mensch? Aber je mehr sie über die Explantation erfuhr, je mehr sie die Details der Krankenakte kennen lernte, desto stärker wurde etwas anderes: Empörung, Schmerz, Wut.Dann Rache.Gedanken mörderischer Rache …„Das Herz Ihres Sohnes hat eine 50-jährige Frau bekommen“, hatte ihr Doktor Förster gesagt.„Eine Deutsche?“„Ja, eine Deutsche.“„Vielleicht sogar aus Hamburg?“„Ich glaube, jetzt verlangen Sie zu viel von mir.“Aber sie hatte weiter gedrängt, und schließlich hatte er bejaht.Er war nachgiebiger als die andern.Fast schien es, als wünschte er, etwas preiszugeben, als wolleer sich absichtlich schaden.Sie hatte es nicht begriffen, aber es war seine Sache.Dann die eigentliche Nuss, die zu knacken war: Wibke Pohl.Sie kannte die Namen der Spender und der dazugehörigen Empfänger.Gab sie ein in die zentrale Datei der DSO.Leitete vor der Transplantation die Daten des Spenders an ›Eurotransplant‹ im niederländischen Leiden weiter und bekam über die dort geführten Wartelisten den Empfänger genannt.Brigitte Lasbeck stand auf und ging zum Fenster.Sie blickte zu dem Magnolienbaum hinüber.Jetzt war er kahl, aber im Frühling würde er wieder die zartesten, rosaweißen Blüten tragen.Sie liebte diesen Baum, der so sichtbar immer neu zum Leben erwachte.Mit Befriedigung dachte sie daran, wie sie Wibke Pohl den Namen der Empfängerin abgerungen hatte.Natürlich hatte sie gewusst, wie diese Koordinatorinnen tickten.Wie die Ärzte gierten sie ständig nach neuen Organen, trösteten und beruhigten die Warte-Kandidaten, vermittelten Hoffnung, dass schon bald jemand für sie sterben würde.Koordinatorinnen, das war ihr klar gewesen, betreuten die Empfänger.Aber ganz offiziell hatten sie auch die Aufgabe, sich um die Spenderfamilien zu kümmern.Nur dass das in der Praxis keine Rolle spielte.Nach der Explantation und dem Tod ihrer Angehörigen mieden die Familien meist die Klinik und lebten den Schmerz oder auch die Reue zu Hause aus.„Ich brauche jetzt Ihre Hilfe“, hatte Brigitte Lasbeck nach Holgers Tod zu Wibke Pohl gesagt.„Allein komme ich damit nicht zurecht.“Wibke Pohl hatte gleich eilig die Adresse einer Psychotherapeutin aufschreiben wollen, aber dann hatte sie Brigitte Lasbecks Tränenstrom gesehen und ihre Worte gehört: „Man sagte mir, dass Sie auch für die Angehörigen da sind …“„Aber natürlich.“ Am nächsten Tag hatten sie in einem Café an der Rothenbaumchaussee gesessen.Brigitte Lasbeck dachte mit Triumph an diese Begegnung.„Wissen Sie, ich käme so viel leichter darüber hinweg, wenn ich den Empfänger kennen würde.Wenn ich sehen könnte, wie gut es ihm geht und dass unser Opfer nicht umsonst war.“„Den Namen darf ich aber nicht nennen.“„Ich weiß ja schon einiges.Es ist eine 50-jährige Frau, die in Hamburg lebt.“„Dann wissen Sie doch genug.Ich habe leider Schweigepflicht.“Nach und nach hatte sie Persönliches aus ihr herausgefragt.Wibke Pohl war eine allein stehende Mutter, mit dem Reihenhäuschen überschuldet, der Mann war abgehauen, blieb unauffindbar, zahlte keinen Unterhalt.Während des Gesprächs war die energische Umtriebigkeit der kleinen graublonden Person immer mehr einer sorgenvollen, verzweifelten Trauer gewichen.Am Ende hatte Wibke Pohl das Gesicht in die Hände gestützt und wie ausgeleert vor sich hingestarrt.„Ich kann Ihnen helfen.Ich würde Sie mit 3.000 Euro gern ein wenig unterstützen“, hatte Brigitte Lasbeck gesagt.„Sie wollen mir Geld leihen?“„Nein, ich schenke es Ihnen.Sie müssen mir nur den Namen nennen.“Wibke Pohl schwieg
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