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.Nach ein paar Tagen grüßen auch wir uns.Friedhöfe sind die letzten Großstadtoasen.Hier findet man nicht nur den ewigen Frieden, sondern auch den augenblicklichen.Keine Autos, keine Verkäufer, keine Machtkämpfe, nur gedämpfte Stimmen und leises Abschiednehmen.Hier darf man noch verzweifelt sein, ohne zu riskieren, zwangseingeliefert zu werden.Wenn ich früher traurig war, bin ich oft hierher gegangen, um in Ruhe weinen zu können, und habe dabei festgestellt, dass jeder, dem man hier begegnet, deine Trauer respektiert.Ob du heulst, weil dein bester Freund gerade gestorben ist, oder weil du nur keine Karten für das Endspiel bekommen hast, egal, hier wird Trauer nicht bewertet.Der Wind ist frisch, die Haare des Priesters flattern leblos, schwarzer Stoff flattert, viele haben sich hübsch gemacht, aber im Mittelpunkt steht dieser kleine Behälter, in dem die so genannten Überreste meiner Mutter sein sollen.Die Aufmerksamkeit und Sanftheit, die diesem Behälter entgegengebracht werden, kommen zu spät.Das Ding ist nur ein Gefäß für einen verbrannten Körper, mit meiner Mutter hat das alles nichts zu tun.Vielleicht ist sie anwesend.Irgendwie.Aber ganz sicher nicht in diesem Ding, das von den Anwesenden sogar respektvoller behandelt wird als die Anwesenden selbst.Der Tod macht höflich.Susann und ich haben vorher ein paar Schnäpse gekippt und sind gut geerdet.Wenn wir so weitermachen, dann stehen entweder Heul- oder Lachkrämpfe auf dem Programm.Außer uns sind viele Verwandte da, die ich lange nicht gesehen habe.Es ist schön, dass sie hier sind, und dennoch ist es zu viel.Das Beileid schmerzt.»Spürst du den Wind?«, flüstert Susann.Ich nicke.»Meinst du, das ist sie?«»Nur wenn sie Buttermilchsuppe zum Frühstück hatte.«Sie kichert leise und reicht mir den Flachmann.Ich trinke einen tiefen Schluck.»Weißt du noch?«, kichert sie.Ich nicke und muss mich zusammenreißen, um nicht loszuprusten, als ich daran denke, wie meine Mutter auf Beerdigungen war.Die erste Hand voll Erde war noch nicht auf der Kiste gelandet, als sie schon nach dem Klo fragte.Sie hatte keine große Blase.Einmal ging sie sogar schnell ins Gebüsch.Der Priester salmt, und als er die Urne senkt, hebt sich der Deckel für einen Moment.Kleine Aschehäufchen wirbeln umher und lösen hektisches Treiben aus.»Vom Winde verweht«, kichert Susann.Ich nicke und nehme noch einen tiefen Schluck, während ich mich frage, wo sie wohl ist.Nach der Zeremonie folgen alle dem Kiesweg zur Straße und steuern die nächste Kneipe an.Ich lasse mich zurückfallen.Einmal außer Sicht, drehe ich mich um und gehe zu der Wiese zurück, auf der ihre Asche begraben wurde.Auf einem kleinen Hügel daneben steht eine Holzbank von unschätzbarem Wert.Ich gehe zu ihr rüber und suche mir in aller Ruhe die beste Stelle aus.Inmitten hunderter Kreuze, hunderter Schicksale, hunderter Geschichten von Liebe, Angst, Glück und Verrat ist es leichter, mich nicht zu ernst zu nehmen.Ich bin hier, um an den Tod zu denken.Und an das Leben.Vier Männer, von mehr als zwanzig schwarz gekleideten Personen begleitet, tragen eine Kiste an mir vorbei.Im Vorbeigehen nicken mir einige aus der Gefolgschaft zu.Was im Leben selten ist, ermöglicht der Tod: Anteilnahme.Ich schaue aufs Meer.Hat mir zwei Mal fast das Leben genommen, trotzdem liebe ich es.Eine Lebensversicherung gibt es nicht.Es gibt nur Überleben.Bis zum Tod.Und jeder Augenblick ist die Ewigkeit.Jeder einzelne Augenblick.Ich werde sie nicht vergessen.Ich werde sie alle nicht vergessen.Mor.Niels.Michael.Elizabeth.Carlos.Carlos war ein begnadeter Pianist.Er war jahrelang mit Boney M.unterwegs, als sich plötzlich herausstellte, dass er einen Gehirntumor hatte.Der Druck, den dieser Tumor auf sein Gehirn ausübte, löste epileptische Anfälle aus, und diese Anfälle machten Carlos zum Pflegefall.Ich bekam den Job, ihn dreimal die Woche zur Behandlung zu fahren, und obwohl er manchmal ausflippen konnte, kamen wir gut miteinander klar.Zwischen Autobahn und Wartezimmern entwickelte sich langsam eine Freundschaft.Wir führten lange Gespräche, und wenn wir das Thema Musik erwischten, leuchtete sein Gesicht auf, und er engagierte sich so, dass er wenig später ein paar von diesen Mörder-Downern einwerfen musste, die er bei sich trug.Carlos erklärte mir, dass sein Tumor wie ein Alien mit Greifarmen ausgestattet sei und dass es schwer sei, diese operativ zu entfernen, ohne das Gehirn zu beschädigen [ Pobierz całość w formacie PDF ]