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.Es war ein langer Tag gewesen, und ich war nicht in der Stimmung für eine lange Geschichte.»Nun … Als dein Dad noch ein kleiner Junge war, nahmen ihn seine Eltern im Sommer manchmal mit zu Freunden an einem See in New Hampshire.In der Nähe war ein Bauernhof, auf dem sechs große Pyrenäische Berghunde lebten, große weiße Hunde.Sie buddelten Löcher im Garten.Wenn Dad und sein Bruder Jimmy auf ihren Fahrrädern vorbeifuhren, kamen die Hunde jaulend und voller Freude herausgesprungen.Sie freuten sich wahnsinnig, waren aber so groß, dass sie auf dem Asphalt ausrutschten.Sie flößten einem Angst ein mit ihrer Fröhlichkeit, und dein Dad hatte das Gefühl, als würde er mit dem Rad durch eine große Hundelawine fahren.Kannst du dir vorstellen, wie die vielen kräftigen weißen Hunde alle auf einmal auf dich zustürzen?«»Die Geschichte kenne ich«, sagte Abbot ernst.»Hab ich sie dir schon mal erzählt?«»Ja«, sagte Abbot, »und Daddy auch.«»Oh«, sagte ich enttäuscht.Er rieb sich die Hände und sagte:»Morgen Abend erzählst du mir mal eine, die ich noch nicht kenne.«Das überraschte mich, doch ich zögerte nur kurz.»Okay«, sagte ich, strich ihm den Pony aus dem Gesicht und küsste ihn auf die Stirn.»Kann ich einen neuen Kissenbezug haben?«, fragte Abbot.»Warum?«»An dem hier sind Bakterien von gestern Nacht und von allen Nächten davor.«»Das macht nichts«, beruhigte ich ihn.»Ganz sicher?«»Sicher.«Er zog das Kissen unter seinem Kopf weg.»Ich brauche kein Kissen.«Ich stand auf, knipste sein Red-Sox-Nachtlicht an und lief ins Spielzimmer, wo ich mehrere Runden drehte.Abbot wollte eine neue Geschichte, die er noch nicht gehört hatte? Ich erfand Henry Bartolozzi nicht.Ich behielt ihn hier, hielt ihn für uns lebendig.Ich spürte ein hektisches, elektrisches Sirren in meiner Brust.Ich öffnete die Haustür.Ich brauchte frische Luft.Es war einer dieser Abende im Spätfrühling, an denen es im Haus stickig wird, die Luft draußen aber angenehm kühl ist.Ich bemühte mich, eine wachsende Panik im Zaum zu halten.Ich sah in den von einer Straßenlaterne erhellten Vorgarten und musste an meine Mutter denken, die mich drängte, mein Leben zu ändern.Jede Frau verdient einen verlorenen Sommer.Ich dachte an Elysius, wie sie sagte: »Ich bemühe mich ja, ich bemühe mich.« Und an Charlotte, die in Bitsy Bette’s Boutique in ihren Angelstiefeln so tapfer allen Paroli bot.Dann dachte ich an die Weißwale im Aquarium und an Abbot, der von ihren Gliedmaßen sprach.Sie sind genau wie wir.Ich warf einen Blick in das erleuchtete Haus.In dem Moment ging mir auf, dass mein Leben sich wie ein Museum anfühlte, ein Museum aus Verlust, und ich hatte es mir selbst geschaffen.Ob ich mir nun versagte, bei Erinnerungen zu verweilen, oder von ihnen überwältigt wurde, alles erinnerte mich an eine Geschichte über Henry; alles verdiente eine Gedenktafel: ein gerahmtes Foto von Henry und mir im japanischen Steakhouse, den fünfjährigen Abbot zwischen uns; Henrys alte Red-Sox-Mütze, seine Stollenschuhe aus der Softball-Liga für über Dreißigjährige, die unter einer Bank verstaut waren.Das Foto von Abbots viertem Geburtstag, auf dem Henry und Abbot neben der halb aufgegessenen Torte posierten.Der Geburtstag, an dem Abbot sich eine Kerze gewünscht hatte, um sie dann auszupusten.Ich hatte keinen einzigen Gegenstand, der Henry gehörte, in Kartons verpackt – eine Aufgabe, die mir unfassbar erschien.Ich betrachtete meinen Eingangsbereich wie eine Fremde.Weil ich hier fremd bin, dachte ich.Da standen Topfblumen, die ich schon über ein Jahr vernachlässigt hatte.Ich nahm eine hoch und kippte die Erde in die Büsche am Haus, und dann nahm ich eine zweite.Zu diesem Zeitpunkt weinte ich schon leise schluchzend.Als ich den dritten Tontopf hochnahm, fand ich ein violettes Plastik-Osterei darin.Ich hielt es in den Händen wie ein echtes Ei, als würde sich gleich ein Vogelküken den Weg nach draußen frei picken.Im letzten Frühjahr war Abbot mit Freunden in einem Park hier ganz in der Nähe auf Ostereiersuche gegangen; das bedeutete, dass Henry das Ei vor zwei Jahren versteckt hatte.Ich ließ das Ei aufspringen, aus dem ein Stoß muffige Luft entwich, und zum Vorschein kamen zwei steif gewordene Gummibärchen und ein Stück verhärtetes Kaugummi.Durch diesen unbedeutenden Vorgang zerbrach etwas in mir.Ich war kaum noch da.Ich war ein kleiner Luftstoß, und sonst nichts.In jenem Frühjahr war Abbot von der Frage besessen gewesen, warum der Osterhase Eier legte und warum wir alle falsches Gras und Körbe benutzten.Was hatte das zu bedeuten? Henry schrieb Abbot einen Brief vom Osterhasen, den er mitsamt seinem Schokohasen bekam.Darin gestand ihm der Osterhase, dass er keine Ahnung habe, wie das alles seinen Anfang genommen habe.Henry las mir das Briefchen laut vor.Ich bin schließlich nur ein Häschen.Ich verstehe auch nicht alles.»Ich finde, dass wir ehrlich sein sollten, wenn die Welt keinen Sinn ergibt.« Da stimmte ich ihm zu.»Wir sind eben nur Häschen«, bestätigte ich, und er steckte den Brief in das Körbchen mit dem falschen Gras.Unsicher lief ich zurück ins Haus.Das in zwei Hälften gespaltene Ei legte ich auf den Esszimmertisch, und daneben die Gummibärchen und das eingewickelte, hart gewordene Kaugummi.Ich vermisste Henry wahnsinnig.Die Sehnsucht nach ihm wallte stets völlig unerwartet in mir auf.Ich vermisste ihn – den echten Henry, nicht die Geschichten über ihn.Ich vermisste seinen Hals, den Duft von Aftershave, der sich dort konzentrierte.Manchmal zog ich seine T-Shirts an, nachdem er sie ausgezogen hatte, wenn sie noch warm von seinem Körper waren, und schlief darin.Ich vermisste es, den Kopf auf seine Brust zu legen und seinen Herzschlag zu spüren.Und ich vermisste seine Schultern, sein Schlüsselbein, seine schönen Hände.Wie er im Meer schwimmt, seinen Körper, von der Sonne gerötet.Henry eingewickelt in ein Bettlaken wie in einen engen Kokon.Wie er sich bückt, um Abbots Schuhe zuzuschnüren.Ich wollte ihn vergöttern.Ich vermisste sein schlafendes Gesicht, das so jung aussah wie an dem Tag, an dem ich ihn kennen lernte.Ich vermisste seinen Bauch.Er hatte »Rapper-Bauchmuskeln«.Natürlich fehlte mir der Sex mit ihm.Ich hätte alles gegeben, um noch einmal mit ihm zu schlafen – im Sommer, wenn ich es mir aussuchen dürfte – auf dem Bett, ohne die Decke und das obere Laken, um am Ende erschöpft zusammenzubrechen, das verzückte und benommene Keuchen danach, wie zwei Überlebende eines Schiffbruchs, die gerade ans Ufer gekrochen sind.Ich brauchte nicht in die Provence zu fahren, um meine Mutter und meine Schwester zu beschwichtigen, um verzaubert zu werden.Ich konnte die Erfahrungen auch hier machen.Von nun an werde ich versuchen, nichts zu verlieren oder mich verloren zu fühlen.Ich werde mich nicht auf Abbot fixieren.Ich werde wieder lernen, im Hier und Jetzt zu leben.Abbot und ich brauchen keinen verlorenen Sommer, um zu lernen, wie man lebt.Doch noch während ich mir das sagte, wusste ich, dass es wahrscheinlich Ausflüchte waren.Jetzt wo ich das kleine violette Plastik-Ei hatte, brauchte ich mehr – eine Nachricht von Henry.Er würde mir sagen, dass ich nicht fahren, dass ich bei ihm bleiben sollte, dass wir an das Haus gebunden waren, dass der Efeu, der sich um die Tür rankte, diese überwuchern sollte.Oder würde er wollen, dass ich Charlotte rettete? Ich wollte es jedenfalls [ Pobierz całość w formacie PDF ]