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.Paartherapeuten und Scheidungsrichter hätten massive Einkommensrückschläge zu verzeichnen, wenn Mann und Frau lernen könnten, über den eigenen Schatten zu springen.Denn es ist der Schatten des Bauches, über den sich das Herz in einem Kraftakt hinwegsetzt: »Ich sehe ihre 50 Prozent mit stechender Klarheit, aber, verflixt noch mal, wo sind denn schnell meine 50 Prozent? Mal suchen gehen!« Auch eine Prise selbstkritischer Humor lockert die eigene Verbissenheit auf – und die des Partners übrigens ebenfalls.Diese Wende aber – ich wiederhole mich – findet im Herzen statt und nicht im Bauch.Wer darauf wartet, bis die Entschuldigung, Versöhnung, Bekehrung, Vergebung lustvoll von selbst aus dem Bauch heraus kommt – ohne Mühe, ohne den vorgeschalteten Akt des Herzens –, wartet in der Regel lang.Entschuldigen, Versöhnen, Bekehren, Vergeben muss vom Herzen mühsam eingelernt werden, dann gewöhnt sich schlussendlich auch der Bauch daran.Die Ressourcen zur Selbsterkenntnis sind bei jedem Menschen ständig präsent.Jeder von uns hat das Korrektiv, das er braucht, immer bei der Hand.Denn die besten Aufklärer sind unsere Nächsten, die uns täglich ertragen müssen.Niemand kennt uns so gut wie die, die mit uns leben oder arbeiten.Sie sehen uns in allen möglichen Situationen.Und sie sehen uns – im Gegensatz zu uns selbst – ohne den Filter der Selbstgefälligkeit oder des Selbstbetrugs.Erst die Zusammenschau von Fremdbild und Selbstbild ergibt im Kopf ein relativ komplettes und objektives Bild der Wirklichkeit.Andere sehen an mir, was ich nicht sehe.Ich wiederum weiß von mir, was sie nicht wissen.Wenn man die beiden Bilder vernünftig übereinanderlegt, entsteht ein dreidimensionales Bild.Deshalb ist es von außen betrachtet erstaunlich kurzsichtig, dass die meisten gar nicht so neugierig sind auf dieses kritische Feedback der anderen aus Angst, es könnte etwas Schmerzhaftes – also Negatives – dabei sein.Das ist die irrationale Vogel-Strauß-Politik des Bauches zur Schmerzvermeidung: »So genau will ich das gar nicht wissen – und dann ist es weg und nicht mehr wahr.« Wenn ein wehleidiges Herz bei dieser Verdrängung mitspielt und wegschaut, wird der Verstand dann nur mehr – im Sinne einer Rationalisierung – zum selbstgefälligen Selbstbetrug eingesetzt.Dadurch weicht das Selbstbild immer mehr von der Realität ab und entwickelt sich zu einem unrealistischen und idealisierten Trugbild.Die Extremform, der Narzisst, reagiert aggressiv und unkontrolliert gekränkt auf jeglichen Hinweis auf die unerwünschte Realität.Der Bauch kann gar nicht anders – Lustmaximierung, Unlustvermeidung.Nur das Herz hätte die Freiheit, die Türe zur Wahrheit schmerzhaft aufzustoßen.Selbsterkenntnis bedarf also eines tapferen Herzens.Eine alte biblische Weisheit besagt, dass man den Splitter im Auge des Bruders besser erkennen kann als den Balken im eigenen Auge.Das ist scharf beobachtet und bedeutet erstens, dass man bei anderen besonders sensibel und unnachsichtig auf Fehler reagiert, die man bei sich selber verdrängt.Und zweitens, dass man tatsächlich ohne Schwierigkeiten die größten Holzbrocken in einer noch so kleinen Augenhöhle in der inneren Wahrnehmung negieren kann, wenn sie nicht genehm sind.Die Bauchangst vor der Realität – vor der Wahrheit über sich selbst – blockiert den Kopf in einer inneren Unfreiheit, einer angstvollen Verklemmung.Der Minderwertigkeitskomplex nach Alfred Adler ist eine besondere Ausformung der ichhaften, unfreien Angst vor der Wahrheit.Im Unbewussten herrscht folgende Doktrin: Ich muss besser sein, als ich bin, und ertrage nicht, dass ich es nicht bin.Das Problem ist nicht die Minderwertigkeit an sich, sondern dass man die eigenen Mängel nicht annehmen kann und stattdessen ins Unbewusste abdrängt.Das aber ist ein Mangel an Sachlichkeit, denn diese akzeptiert, dass jemand anderer vielleicht besser ist, dass man selber in einem gewissen Bereich nicht so begabt, muskulös oder gebildet ist.Die bittere, aber auch befreiende Wahrheit ist: Jeder ist irgendwo »minderwertig« und könnte deswegen »Minderwertigkeitskomplexe« haben, der gebildete Bücherwurm gegenüber dem Muskelprotz, der Durchtrainierte, weil er weniger gebildet ist, der Politiker, weil er kein Universitätsprofessor ist, dieser wiederum, weil er nicht so bekannt ist wie ein Sportler, der Sportler, weil er nicht öffentlich Reden halten kann, und so weiter.Es gibt immer Gründe, Minderwertigkeitskomplexe zu hegen und zu pflegen, aber es ist letztlich eine ichhafte Angst um sich selbst.Bin ich ungebildet, unmuskulös, unbekannt, unberedt – na und? Wie schön ist es, fehlerhaft zu sein! Durch Annahme seiner eigenen Defekte und Fehler wird die Selbsterkenntnis der Grund für eine tiefe Freude, für Freiheit und Erleichterung.Heilsam ist es, zu seinen »Minderwertigkeiten« stehen zu können und mit ihnen zufrieden zu sein.Das Fehlen der inneren Freiheit ist bei vielen Problemen im Spiel, die Psychotherapeuten auf die Couch gesetzt bekommen.Die meisten suchen nämlich im Grunde therapeutische Hilfe, um verlorene Freiheit zurückzugewinnen.Vordergründig wollen sie dabei unabhängig werden von Ängsten, von Süchten oder von der Meinung anderer.Tiefe innere Freiheit ist hingegen die Folge einer Herzensentscheidung für das Gute und Wahre: Sie bedeutet das Freisein von beengender Ichhaftigkeit, von Machtstreben und Habgier, von Kontrollzwang und Anspruch auf Fehlerlosigkeit im eigenen Leben, von Launen, Verbitterung und Fremdbeschuldigung.Jeder Mensch leidet im Grunde unter seinem Neid, Zorn, seiner Trägheit, Wollust, Habsucht, Völlerei und vor allem seinem Hochmut.Freiheit des Herzens bedeutet, wie der Pädagoge Johann Heinrich Pestalozzi erkannt hat, nicht nur das Freisein von etwas, sondern auch die Freiheit zu etwas.Freiheit verlangt Richtung und Hingabe, denn wenn sie sich nur selbst genügt, bleibt sie wirkungslos.Hier sind allerdings die Grenzen der Psychotherapie erreicht.Denn sosehr sie dem Klienten auch beim Erkunden seines Handlungsspielraums helfen kann, beantwortet sie doch nicht die Frage, wofür er seine Herzensfreiheit einsetzen soll.Das zielt in die transzendente Dimension und ist Domäne von Philosophie und Religion.Die Psychotherapie kann keine Lebensinhalte bestimmen, keinen Sinn anbieten, sie kann nur – wie Viktor Frankl immer betont – bei der Sinnsuche begleiten.FALL 41: Der 60-jährige Seelsorger Alfred H.kommt in die Therapie, um sich selbst besser kennenzulernen.Er wolle in seiner Entwicklung weiterkommen.Viele psychologische Bücher habe er zu diesem Zweck gelesen, um sich besser zu verstehen.Ihn interessiere, wie er bei den Menschen ankomme.Das sei in der Seelsorge schon sehr wichtig, dass man die Menschen dort abhole, wo sie seien.Je glaubwürdiger und authentischer seine Persönlichkeit sei, desto besser könne er abholen.Er frage auch häufig nach, wie seine Predigten bei den Leuten ankämen, »denn ich brauche Feedback, um mich weiterzuentwickeln«.ANALYSE: Die große Entdeckung in der Therapie war für ihn, dass es seine Berufung sei, in der Seelsorge den Menschen zu dienen, statt »belesen zu sein, um zu glänzen« und die Menschen für seine persönliche »Entwicklung« zu benutzen.Hier nochmals das Zitat von Viktor Frankl: »Nur das kranke Auge sieht sich selbst.« Alfred H
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